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Botschafter in New York
Christian Wenaweser

exclusiv im Interview mit Botschafter Christian Wenaweser Botschaft des
Fürstentum Liechtenstein in New York

• Seit dem 1. Oktober 2002 sind Sie
   bevollmächtigter Botschafter 
   und ständiger Vertreter Liechtensteins
   bei den Vereinten Nationen in New York.
   Wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach
   fast vier Jahren aus?

Meine persönliche Bilanz ist sehr positiv. Wir sind hier sehr aktiv engagiert und haben ein für die Grösse unseres Landes überproportionales Profil, was uns andere Länder immer wieder anerkennend bestätigen. Ich habe in diesen vier Jahren persönlich zahlreiche Führungsaufgaben übernehmen können, was einen grossen Teil meiner persönlichen Befriedigung ausmacht. All dies ist nur möglich dank der Unterstützung durch ein vorzügliches Team und die Absicherung durch meine Vorgesetzten in Vaduz.

• Wo konnten Sie nach Ihrer 
   eigenen Einschätzung in der Tätigkeit
   als Botschafter Impulse setzen, die
   aufgenommen und umgesetzt wurden?

Am konkretesten durch meine diversen Vorsitzaufgaben. Ich habe in den vier Jahren als Botschafter einen Hauptausschuss der Generalversammlung geleitet, den Ausschuss über die Sicherheit des UNO-Personals, die Arbeitsgruppe über das Verbrechen der Aggression und «last but not least» die Arbeitsgruppe über Sicherheitsratsreform. Liechtenstein ist ein sehr kleines Land mit beschränkten personellen und finanziellen Mitteln, weshalb wir nur sehr beschränkt in Sondergremien Einsitz nehmen können. Vorsitzaufgaben sind daher ideal für die Profilierung eines Kleinstaats.


• Wie sieht das Zeitmanagement
   von Ihnen aus, oder wie kann sich
   der/die liechtensteiner Bürger/in
   Ihr Tagesprogramm und die Tätigkeit
   von Ihnen vorstellen?

Ich beginne meinen Tag in der Regel sehr früh, weil die Morgenstunden die Zeit sind, wo ich in Ruhe mit Vaduz und anderen Stellen in Europa korrespondieren kann. Ab neun Uhr morgens bin ich normalerweise mit Terminen und Sitzungen befasst. An den meisten Tagen habe ich ein Arbeitsessen, wobei ich vor allem die Abendessen einzuschränken versuche. Dazu kommen dann noch gesellschaftliche Verpflichtungen, Vor-träge etc. Mein Tagesablauf ist also sehr variabel, wenn ich kein Abendessen habe, beende ich meinen Arbeitstag   normalerweise zwischen acht und neun Uhr. Ich versuche, an Wochenenden möglichst wenig zu machen, vor allem Lese- und Schreibarbeit zuhause.


• Welches sind oder waren für Sie
   persönlich wichtige Momente
   in Ihrer Tätigkeit als Botschafter?

Ein Höhepunkt war auf jeden Fall die Arbeit am Dossier Sicherheitsratsreform. Diese war intellektuell und politisch höchst anspruchsvoll und brachte mich in persönlichen Kontakt mit den AussenministerInnen von Ländern wie den USA, Japan, Deutschland etc. Das war eine faszinierende Zeit.


• Wie sieht die Zusammenarbeit
   zwischen dem Fürstentum
   Liechtenstein und dem Gastland aus?
   Wo liegen die Schwerpunkte?

Die bilateralen Kontakte Liechtenstein - USA laufen in erster Linie über Botschafterin Fritsche in Washington. Ich habe hier ein gutes und enges Verhältnis zur hiesigen Vertretung der USA, dem mächtigsten Mitglied der Vereinten Nationen. Das ist für meine Arbeit unentbehrlich. In den letzten Monaten haben wir vor allem zu den Themen Sicherheitsratsre-form und Terrorismus intensiv konsultiert.

• Die EU ist in der Lage, Staaten
   unterschiedlicher Grösse aufzunehmen,
   Beispiel Malta. Welche Vorzüge einer 
   EU-Mitgliedschaft würden
   Sie für Liechtenstein
   als EWR-Mitgliedstaat sehen?

Aus meiner Sicht als UNO-Botschafter gar keine. Wir haben als Nicht-Mitglied viel grössere Gestaltungsfreiheit und ganz andere Möglichkeiten, Liechtenstein als selbständigen und souveränen Staat zu präsentieren. Natürlich ist das eine einseitige Perspektive und die europapolitischen Überlegungen sind ganz anderer Art. Doch auch da scheint mir, dass wir sehr zufrieden sein können, wenn der EWR noch lange funktioniert.

• Haben Sie, als Botschafter,
   eine Vision für die Zukunft
   oder was liegt Ihnen
   besonders am Herzen?

Ich wünsche mir ein weltoffenes Liechtenstein, welches die Globalisierung als Chance für den Kleinstaat wahrnimmt. Die weltweite Vernetzung ist heute so intensiv und die Entwicklungen sind so schnell, dass wir de facto alle etwas überfordert sind. Wir müssen uns kontinuierlich anpassen und verstehen, dass unser Bildungs- und unser Wohlstand uns grossartige Chancen geben. Dazu gehört, dass die Welt nicht am Bodensee aufhört.

• Was wünschen Sie sich
   persönlich für die Zukunft?

Mehr Rationalität in der Weltpolitik und die Einsicht, dass die Entwicklung in armen Ländern letzlich in unserem Eigeninteresse liegt.



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