am 15. August 2020
Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner
Den diesjährigen Staatsfeiertag begehen wir wegen der Pandemie auf eine besondere Weise. Wir verzichten auf den Staatsakt vor dem Schloss, auf das Volksfest und auf das Feuerwerk. Dennoch wollen wir auch den heutigen Tag feierlich begehen und sowohl über die Vergangenheit als auch die Zukunft nachdenken.
Wegen der Pandemie haben wir alle in den letzten Monaten ungewohnte Einschränkungen unserer Freiheit erlebt. Viele von uns haben ausserdem erhebliche Mehrbelastungen am Arbeitsplatz oder bei der Betreuung von Familienangehörigen erfahren.
Im internationalen Vergleich konnten wir die Pandemie bisher sehr erfolgreich bewältigen. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die in den letzten Monaten einen besonderen Einsatz dazu geleistet haben, insbesondere den Verantwortlichen von Regierung und Verwaltung sowie des Gesundheitswesens und der Pflege. Danken möchte ich auch den vielen Freiwilligen, die spontan geholfen haben – sei es beim Einkauf, bei der Kinderbetreuung oder durch finanzielle Unterstützung.
Neben der guten Zusammenarbeit und grossen Solidarität profitierten wir bei der Krisenbewältigung auch von unseren weiteren Stärken: von unserem Unternehmergeist und unserer Innovationsfähigkeit genauso wie von der langfristigen und nachhaltigen Ausrichtung unseres Staatswesens mit den stabilen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dem disziplinierten Umgang mit dem Staatshaushalt und dem gut ausgebauten Sozialsystem.
Nach einer ersten Phase von starken Einschränkungen konnten in einer zweiten Phase viele Sicherheitsmassnahmen wieder aufgehoben werden. Die Pandemie ist jedoch noch nicht vorüber. Solange Medikamente oder Impfungen nicht die notwendige Wirkung entfalten, wird es ganz entscheidend sein, dass wir uns weiterhin konsequent und diszipliniert an die Sicherheitsvorgaben halten. Ansonsten werden aus verhältnismässig leichten, präventiven Einschränkungen rasch wieder einschneidende Einschränkungen.
Viele von uns sorgen sich um ihre Gesundheit, ihre Ausbildung, ihren Arbeitsplatz oder ihr Unternehmen. Sorgen bereiten auch eine vermehrte Gewaltbereitschaft innerhalb verschiedener Staaten sowie eine Zunahme an Protektionismus und Machtpolitik auf internationaler Ebene. Viele sind ausserdem besorgt, dass die Pandemie zu einer Neuordnung der Wertschöpfungsketten und zu neuem Druck in Richtung Steuerharmonisierung mit für uns nachteiligen Rahmenbedingungen führen wird.
Trotz dieser Sorgen können wir den Herausforderungen der nächsten Monate mit Zuversicht begegnen. Einerseits verfügen wir über eine im internationalen Vergleich beneidenswerte Ausgangslage und andererseits beschleunigt die Pandemie Entwicklungen wie die Digitalisierung und die Betonung der Nachhaltigkeit, die wir zu unseren Gunsten nutzen können.
Damit dies gelingt, sollten wir zunächst die bisherigen Erkenntnisse über die Pandemie auswerten, um aus der Krise zu lernen und uns für mögliche weitere Wellen der Pandemie vorzubereiten. Wir sollten uns aber nicht nur mit Pandemien beschäftigen, sondern uns auch über andere Krisenszenarien Gedanken machen, denn oft ist man gut für die letzte aber schlecht für die nächste Krise gewappnet.
Die Pandemie hat uns z.B. deutlich gezeigt, wie sehr wir heute auf eine stabile digitale Infrastruktur und damit auch auf ein sicheres Stromnetz angewiesen sind. Wir sollten deshalb überlegen, wie wir diese Infrastruktur möglichst krisensicher machen, auch hinsichtlich digitaler Viren und sonstiger digitaler Angriffe. Dadurch können wir eine wichtige Standortattraktivität, nämlich die grosse Stabilität, weiter stärken.
Dank unseres guten Bildungssystems und unserer hoch entwickelten Wirtschaft sollten wir grundsätzlich davon profitieren, wenn die Pandemie eine Beschleunigung der Digitalisierung mit sich bringt. Die damit verbundenen Chancen können wir jedoch noch besser nutzen, wenn wir unser Bildungssystem weiter optimieren und zwar in allen Bereichen, von der frühkindlichen Betreuung über die Schulbildung bis zur Weiterbildung in den Unternehmen.
Auch der Trend in Richtung Nachhaltigkeit dürfte sich wegen der Pandemie beschleunigen. Dieser Trend war zwar schon vor der Pandemie bedeutend. Sie hat aber dazu geführt, dass vor allem in den europäischen Staaten nun rasch grosse Hilfspakete mit einer starken Betonung auf Nachhaltigkeit geschnürt werden. Dies dürfte zusammen mit den durch die Pandemie ausgelösten Änderungen der Lebensgewohnheiten die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung zusätzlich verstärken.
Liechtenstein ist im internationalen Vergleich bereits sehr nachhaltig ausgerichtet: in ökonomischer Hinsicht dank eines sorgsamen Umgangs mit den Staatsfinanzen, in sozialer Hinsicht dank guter Bildungs- und Sozialsysteme und auch in ökologischer Hinsicht wurde in den letzten Jahren einiges erreicht. Um den Trend in Richtung Nachhaltigkeit möglichst zu unserem Vorteil zu nutzen, sollten wir jedoch die Ausrichtung unserer Gesellschaft auf eine nachhaltige Orientierung in allen Lebensbereichen intensivieren. Dadurch können wir auch sicherstellen, dass die Lasten für die nächsten Generationen weiterhin niedrig bleiben.
In ökonomischer Hinsicht sollten wir uns jene Empfehlungen zur Leitlinie machen, die die Regierung in der Postulatsbeantwortung über den sorgsamen Umgang mit den Staatsfinanzen formuliert hat und die im Landtag auf sehr positive Resonanz gestossen sind. Gemäss diesen Empfehlungen sollten wir Zukunftsinvestitionen vor allem in die Potenzialentwicklung und in die Infrastruktur tätigen, uns bezüglich Erhöhungen der laufenden Staatsausgaben hingegen zurückhalten.
Im internationalen Vergleich zwar sehr gut, aber dennoch verbesserungswürdig ist die Finanzierung der Altersvorsorge, der Gesundheitsvorsorge und der Pflege. Auch hier sind Zukunftsinvestitionen möglich, wenn durch einmalige Ausgaben echte Systemverbesserungen erzielt werden.
Die soziale Nachhaltigkeit können wir u.a. durch Optimierungen im Bildungsbereich sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen. Dabei sollten wir nicht nur an die staatliche Seite denken, sondern auch daran, wie wir in der Privatwirtschaft und in der Zivilgesellschaft auf unternehmerische und innovative Weise Verbesserungen erzielen können.
Für die ökologische Nachhaltigkeit werden insbesondere Fortschritte in den Bereichen Mobilität und Energie wichtig sein. Daher sollten wir sowohl das Mobilitätskonzept als auch die bald vorliegende Energiestrategie rasch umsetzen. Die ökologische Nachhaltigkeit können wir ausserdem dadurch erhöhen, indem unsere Unternehmen auf Nachhaltigkeit bei ihren Produkten und Dienstleistungen setzen und wir dies durch einen bewussten und lokalen Einkauf fördern.
Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner
Lasst uns in den letzten Monaten dieser Legislaturperiode nicht nur die Herausforderungen der Pandemie weiter entschlossen bewältigen, sondern auch die mit ihr verbundenen Chancen nutzen. Wenn ein jeder von uns in seinem Bereich das Beste gibt und wir auf unternehmerische und innovative Weise Fortschritte in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit erzielen, werden wir alle daraus einen Nutzen ziehen.
Von Herzen danke ich all jenen, die an der Gestaltung des Staatsfeiertages mitgewirkt haben, und wünsche Ihnen allen einen schönen Festtag und Gottes Segen.
Es gilt das gesprochene Wort!