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XVIII. Gottfried von Haberler Konferenz in Vaduz mit internationalen Fachexperten

XVIII. Gottfried von Haberler Konferenz in Vaduz mit internationalen Fachexperten

(v.l.) Peter A. Fischer, Claudia Wirz, Martin Krause, Pauline Dixon, S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Erik Lakomaa, Michael Esfeld, Neal McCluskey, Michael Wohlgemuth / Fotos © exclusiv
(v.l.) Peter A. Fischer, Claudia Wirz, Martin Krause, Pauline Dixon, S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Erik Lakomaa, Michael Esfeld, Neal McCluskey, Michael Wohlgemuth / Fotos © exclusiv

Die Trennung von Bildung und Staat: Ist die Zeit reif für die Privatisierung des Schulsystems? 

Vaduz, 16./17. Mai 2024 – Unter dem Titel «Privatize Education!» widmete sich die XVIII. Gottfried von Haberler Konferenz erneut einem hochaktuellen und brisanten Thema. International führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie anerkannte Expertinnen und Experten sprachen über die Entideologisierung des Bildungsideals, diskutierten Chancen der Privatisierung im Bildungsbereich und erläuterten Beispiele erfolgreicher privater Bildungsinstitutionen.

Bereits beim Abendessen am Vorabend der Konferenz, das von hochkarätigen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft besucht wurde, eröffnete Jan Fleischhauer mit einer mitreissenden «Dinner Speech» die 18. Gottfried von Haberler Konferenz. «Viele Menschen haben offenbar das Gefühl, dass das, was sie denken und wie sie die Dinge sehen, in den Medien deutlich unterrepräsentiert ist. Ich kann ihnen da nicht widersprechen. Mein Eindruck ist auch, dass die Welt, wie sie in den Medien abgebildet wird, und die Welt, die eine Mehrheit nach wie vor als ihr Zuhause begreift, immer weiter auseinander fallen. Als Soziologe würde man von einer Repräsentationslücke sprechen», so Jan Fleischhauer, der mit diesen Worten in seine Rede «Über die Freiheit der Sprache und ihren Feinde» einstieg.

S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein
S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein

Sind die Lehrpläne der heutigen Schulen politisch einseitig ausgelegt? Ist die heranwachsende Generation bereits durch intolerante Ideologien verunsichert? Ist es an der Zeit, staatliche Bildungssysteme in Frage zu stellen und nach praktikablen Alternativen zu suchen? International führende Expertinnen und Experten diskutierten an der diesjährigen Gottfried von Haberler Konferenz, was die Freiheit der Bildung mit der Freiheit unserer Gesellschaft zu tun hat, erläuterten Argumente für eine Privatisierung des Bildungssystems und stellten internationale Fallbeispiele privatisierter Bildungseinrichtungen im Detail vor. «Bildung ist die wohl bedeutendste Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass wir unser heutiges Bildungssystem nicht einfach als gegeben hinnehmen, sondern es kritisch hinterfragen», sagte S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, Gastgeber der Konferenz und Honorary Chairman der LGT.

Peter A. Fischer führte in das Tagesthema ein und moderierte einen Teil der Diskussionen, welche zu Fragen aus dem Publikum am Ende der jeweiligen Referate stattfanden.

Der erste Konferenzredner Michael Esfeld sprach über freie Gesellschaft und freie Bildung. Die liberale Idee erkennt jeden Menschen als Person mit grundlegenden Rechten an, die ihn vor Eingriffen in seine Lebensführung schützen. Sie bildet die Basis für eine Gesellschaft, die auf freiwilliger Kooperation und Gleichberechtigung beruht. Der Platonismus hingegen geht davon aus, dass eine Elite das Wissen über das Gute besitzt und daher berechtigt ist, das Leben der anderen Menschen zu lenken. In der Moderne nimmt die Wissenschaft diese Rolle ein, was als politischer Szientismus bezeichnet wird: Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden zur Gestaltung der Gesellschaft mit dem Ziel, bessere Menschen zu schaffen. Bildung und Wissenschaft, oft staatlich reguliert oder finanziert, dienen als Werkzeuge des Szientismus. Michael Esfeld argumentierte, dass eine freie Gesellschaft eine von staatlichem Einfluss unabhängige Bildung und Wissenschaft benötige, ähnlich der Trennung von Staat und Religion. Diese Trennung würde weder Bildung noch Wissenschaft schaden, sondern lediglich verhindern, dass diese als Werkzeuge gegen die Rechte der Individuen eingesetzt werden.

Martin Krause befasste sich in seinem Referat mit dem argentinischen Bildungswesen. Nachdem das Land jahrzehntelang mit wirtschaftlichen und politischen Krisen zu kämpfen hatte, habe sich das argentinische Volk für eine Regierung entschieden, die eine Rückkehr zu den erfolgreichen Prinzipien des frühen 20. Jahrhunderts anstrebt – auch im Bildungsbereich. Der anvisierte Wandel hin zu einem dezentralisierten, offenen und transparenten Bildungssystem gehe jedoch langsam voran und setze wirtschaftliche Reformen sowie eine Stabilisierung der fiskalischen und monetären Lage voraus. Der Weg dafür sei nun jedoch geebnet und die Regierung habe diesen bereits eingeschlagen, erläuterte Martin Krause.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzte Claudia Wirz die Konferenz mit ihrem Vortrag «Die Ideologisierung der öffentlichen Schule und ihre trauigen Folgen» fort. Regelmässig sorgen die schlechten Pisa-Ergebnisse in der deutschsprachigen Schweiz, Deutschland und Österreich für öffentliche Empörung. Trotz hoher Investitionen in das Bildungssystem erreichen in der Schweiz beispielsweise 19 Prozent der 15-Jährigen nicht die Mindestanforderungen in Mathematik und 25 Prozent sind im Lesen leistungsschwach. Die Ursache dafür liege in der Bildungspolitik und deren reformpädagogischen Ansätzen, argumentierte Claudia Wirz. Die übertriebene Betonung von Inklusion und Chancengleichheit gehe zu Lasten der Leistungsbereitschaft und Bildungsqualität in der Schweiz. Um das Leistungsethos wiederherzustellen, müsse die Bildung aus dem Einflussbereich internationalistischer Gremien in die nationale und kantonale Verantwortung zurückgeholt werden.

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die eine private Bildungsinstitution besuchen, ist in den vergangenen Jahrzehnten weltweit markant gestiegen. Dies habe die Debatte um die freie Schulwahl erneut ins Rollen gebracht, sagte Neal McCluskey in seinem Referat und ging im Folgenden auf die grössten Bedenken und Streitpunkte ein. Kritiker der freien Schulwahl würden eine zunehmende soziale und religiöse Segregation befürchten, was Analysen der OECD jedoch nicht bestätigt hätten. Uneinig seien sich die beiden Lager auch in Bezug auf die Auswirkung der freien Schulwahl auf die Chancengleichheit. Und schliesslich führe man Diskussionen darüber, ob sich die freie Schulwahl positiv oder negativ auf akademische Ergebnisse auswirke. Forschungsergebnisse würden diesbezüglich ein widersprüchliches Bild zeichnen, so Neal McCluskey. Insgesamt würden die weltweiten Debatten die Spannung zweier widersprüchlicher, aber durchaus menschlicher Ziele widerspiegeln: Maximale Individualität und gleiche Chancen auf Erfolg.

Bildung wird oft als öffentliches Gut angesehen und es wird erwartet, dass der Staat die Bildung bereitstellt, regelt und finanziert. Doch was geschieht, wenn Regierungen es sich nicht leisten können, adäquate Bildung anzubieten oder in politisch instabilen Verhältnissen operieren? In ihrem Referat gab Pauline Dixon Einblicke in ihre Forschung und räumte mit mehreren Mythen auf (z.B. «Privatschulen für arme Familien sind qualitativ schlechter als staatliche Bildungsangebote», «Eltern in sehr armen Regionen sind nicht in der Lage, fundierte Entscheidungen über die Schulbildung ihrer Kinder zu treffen»). So zeigte sie beispielsweise auf, dass in vielen städtischen Gebieten Indiens rund zwei Drittel der Kinder kostengünstige private Schulen ohne staatliche Unterstützung besuchen – Schulen, die teils vom Staat gar nicht registriert sind. Die Qualität der Bildung und der Infrastruktur (beispielsweise der Zugang zu Trinkwasser) sei in diesen «Low-Cost-Privatschulen» generell höher als jene der staatlichen Bildungsinstitute und die Kinder würden bessere Leistungen erbringen – und dies bei geringeren Lehrkosten. Sie legte dar, dass Menschen in armen Gemeinschaften durch ein starkes Miteinander und gemeinsames Handeln vielfach eigene Lösungen für die Herausforderungen ihres Alltags entwickeln und umsetzen.

Im Jahr 1992 ging Schweden von einem stark zentralisierten Schulsystem zu einem System über, in dem Eltern zwischen verschiedenen öffentlichen Schulen und zugelassenen Privatschulen, so genannten unabhängigen Schulen, wählen können. Heute sind 16 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf Primarstufe sowie 31 Prozent auf Sekundarstufe in privat betriebenen Bildungseinrichtungen eingeschrieben. Der Markt für diese unabhängigen Schulen entwickle sich jedoch sehr langsam, weshalb die Auswirkungen des Wettbewerbs noch relativ gering seien, sagte Erik Lakomaa. Insgesamt sei die Bildungsqualität und allgemeine Effizienz dank der freien Schulwahl aber gestiegen und die Gewalt an den Schulen habe abgenommen. Auch argumentierte er, dass das neue System nicht wie von Kritikerinnen und Kritikern befürchtet die Segregation verstärke, sondern tendenziell verringere.

Die Internationale Gottfried von Haberler Konferenz wird jährlich von der European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) organisiert und fand bereits zum 18. Mal statt. Insgesamt nahmen rund 120 Personen teil. «Diese Konferenz regt Jahr für Jahr zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen an. Sie rückt die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von liberalen Prinzipien – Eigenverantwortung, persönliche Freiheit, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass staatlicher Aktivität – wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein», sagte S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein im Anschluss an die Vorträge der Redner. 

Die 18. Gottfried von Haberler Konferenz endete mit einem Apéro auf Schloss Vaduz, zu dem S.D. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein eingeladen hatte.

Jan Fleischhauer stammt aus Deutschland und hat Philosophie, Linguistik und Literatur an der Universität Hamburg studiert. Während der entscheidenden Zeit des Zusammenbruchs der DDR arbeitete Fleischhauer für Der Spiegel in Leipzig. Danach kehrte er nach Hamburg zurück und wurde stellvertretender Wirtschaftsredakteur und stellvertretender Direktor in der Zentrale von Der Spiegel. Zwischen 2001 und 2005 arbeitete er als Wirtschaftskorrespondent für Der Spiegel in New York. 2019 verliess Fleischhauer Der Spiegel und wurde Mitglied der Redaktionsleitung des weithin gelesenen Wochenmagazins Focus.

Peter A. Fischer stammt aus der Schweiz und hat an den Universitäten Bern (CH) und Kiel (D) Wirtschaft, Betriebswirtschaft, Völkerrecht und Politikwissenschaften studiert. Derzeit ist er Chefökonom der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) in Zürich. Fischer erwarb ein Advanced Studies Certificate in International Economic Policy Research vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel (D) und schloss 1998 seine Promotion in Wirtschaftswissenschaften mit summa cum laude an der Universität Hamburg (D) ab.

Michael Esfeld stammt aus Deutschland und hat an der Universität Freiburg/Breisgau (D) Philosophie und Geschichte studiert. Er promovierte in Münster (D) über Mechanismus und Subjektivität in der Philosophie von Thomas Hobbes. Seit 2002 lehrt Prof. Esfeld Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne (CH). Derzeit ist er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Liberalen Instituts. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Naturphilosophie, einschliesslich der Metaphysik der Naturwissenschaften, und die Philosophie des Geistes, einschliesslich der Sprachphilosophie.

Martin Krause stammt aus Argentinien und hat einen Doktortitel in Öffentlicher Verwaltung und Politikwissenschaft von der Katholischen Universität La Plata (ARG). Derzeit lehrt Krause Wirtschaftswissenschaften an der Universität Buenos Aires (ARG) und am Zentrum für Makroökonomische Studien Argentiniens in Buenos Aires (ARG). Zudem ist er Gastprofessor an der Universidad Francisco Marroquín (GUAT), an der Universidad de los Hespérides (ES) und Adjunct Scholar am Cato Institute in Washington (DC). Er fungiert auch als Bildungsberater des neu gewählten Präsidenten Argentiniens, Javier Milei. 

Claudia Wirz stammt aus der Schweiz, wuchs in Zürich auf und studierte Sinologie, Politikwissenschaft und Völkerrecht an der Universität Zürich. Kurz nach ihrem Abschluss mit einem lic. phil. von der Universität Zürich trat Wirz der renommierten Tageszeitung «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) bei und arbeitete dort etwa 23 Jahre als Inlandredakteurin. Seit 2016 ist sie freiberufliche Journalistin und Publizistin und schrieb bis 2024 alle zwei Wochen eine Kolumne in der NZZ. Eine Buchveröffentlichung dieser Kolumnen ist kürzlich erschienen.

Neal McCluskey stammt aus den USA und hat Englische Literatur und Politikwissenschaft an der Georgetown University (DC) und der Rutgers University (NJ) studiert. Er hat einen Doktortitel in Public Policy von der George Mason University (VA). McCluskeys Hauptforschungsbereich konzentriert sich vorwiegend auf das Verhältnis von öffentlicher und privater Bildung und deren Einfluss auf den sozialen Zusammenhalt. McCluskey gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Bildungsfragen und ist derzeit Direktor des Center for Educational Reform am Cato Institute.

Michael Wohlgemuth stammt aus Deutschland und hat Wirtschaftswissenschaften in Freiburg/Breisgau (D) studiert. Er hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (D) und einen zweiten Doktortitel in Politikwissenschaften von der Universität Witten/Herdecke (D). Derzeit ist er Direktor der Stiftung für Staatskunde und öffentliches Recht, einem Forschungsinstitut mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein. Wohlgemuth ist auch Professor für Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke (D).

Pauline Dixon stammt aus dem Vereinigten Königreich und hat an der University of Newcastle (UK) Wirtschaft und Bildungspolitik studiert, wo sie derzeit Internationale Entwicklung und Bildung lehrt. Sie hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften. Prof. Dixon verfügt über umfangreiche Erfahrung in Asien und Afrika und war massgeblich an der Sammlung empirischer Daten in Slums von Entwicklungsländern beteiligt. Ihre Forschung hat zur Änderung von Bildungspolitik und -praxis mit internationalen Regierungen beigetragen.

Erik Lakomaa stammt aus Schweden und hat Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsgeschichte studiert. Er hat einen M.Sc. in Betriebswirtschaft und einen PhD in Wirtschaftsgeschichte von der Stockholm School of Economics (SSE) (SWE). Derzeit lehrt er Wirtschaftsgeschichte an der SSE und ist auch Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte in Stockholm (SWE). In seiner Dissertation, die sich mit Bildungsreformen beschäftigte, untersuchte Prof. Lakomaa den Dezentralisierungsprozess und die Auswirkungen des Wettbewerbs auf Benotung und Arbeitsumfeld.

ECAEF in Kürze

ECAEF in Kürze

Die European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) ist ein liberaler Think Tank mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein. ECAEF begrüsst die Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und fördert durch verschiedene Aktivitäten das Verständnis für die Theorien und das Wissen dieser Denkschule. ECAEF steht ein für Selbstverantwortung, Unternehmertum, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass an staatlichen Aktivitäten. Mit der Gottfried von Haberler Konferenz möchte ECAEF der Öffentlichkeit eine andere Perspektive auf wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklungen aufzeigen und zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen anregen.

Mehr Informationen unter: ecaef.org

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