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Staatsfeiertag

«Die Zeichen erkennen, die unsere Vorfahren gesetzt haben»

Liechtenstein am Staatsfeiertag 2010: Ein exclusiv Gespräch mit Landtagspräsident Arthur Brunhart

Seit dem Sommer 1940 begeht das Fürstentum Liechtenstein den 15. August als Staats- oder Nationalfeiertag. Seit nunmehr 70 Jahren erstrahlen daher an diesem Abend Höhenfeuer von den rheintalseitigen Bergen.   Der traditionelle Fackelzug durch den Fürstensteig malt eine wandelnde Lichterkette in einen der attraktivsten Höhenwege des Rätikons. Von den Heubergen im Süden her trägt ein brennendes, kronenartiges Feuerbild die glückliche Botschaft weit ins Tal und über seine Grenzen hinaus. Am späteren Abend verwandelt sich Schloss Vaduz unter einem prächtigen Feuerwerk in eine Märchenburg. Abertausende von Schaulustigen diesseits und jenseits des Rheins verfolgen jeweils das Flammenbekenntnis «Für Gott Fürst und Vaterland». An keinem anderen Tag im Jahr werden die Liechtensteiner von den Freunden des Landes mehr um ihre Heimat beneidet als an diesem. - Dem Staatsfeier- tag 2010 ist auch das nachstehende Gespräch gewidmet, das  «exclusiv» mit Landtagspräsident Arthur Brunhart (dem derzeit «höchsten Liechtensteiner» nach dem Landesfürsten) führte.

exclusiv: Was kann der derzeitige Präsident unserer Volksvertretung dem Staatsfeiertag 2010 abgewinnen; als Politiker und als gelernter Historiker?

Landtagspräsident Arthur Brunhart: Nicht nur als Mandatsträger des Landtages oder als Historiker, sondern in erster Linie auch als Bürger dieses Landes, ist der Staatsfeiertag, der als  «Fürstengeburtstag» Eingang in das Sprachgut unseres Volkes gefunden hat, für mich einer der bedeutendsten Anlässe im   Ablauf unseres Liechtensteiner Jahres. Es ist seit sieben Jahrzehnten in Folge die Erneuerung unseres Bekenntnisses zur Heimat und zum Fürstenhaus. Seit 1990, der gesetzlichen Verankerung des «Fürstengeburtstags» als offizieller Staatsfeiertag, verfolgen die Feierlichkeiten das Ziel, die Besinnung auf die staatlichen Grundwerte zu fördern und das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit zu stärken. Wenn es zutrifft, dass wir an diesem Tag von unseren Freunden beneidet werden, dann sind es meines Erachtens vor allem historisch gewachsene Werte wie Friede, politische Stabilität, nationale Identität und der Wille  zu unserer staatlichen Eigenständigkeit, die wir seit bald 300 Jahren in den seither praktisch unveränderten Aussengrenzen unseres kleinen Landes geniessen dürfen.

exclusiv: Als Landtagspräsident haben Sie anlässlich Ihrer Rede zum Staatsfeiertag vor einem Jahr auf der Schlosswiese den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern angesichts der sich seit zwei Jahren abzeichnenden Finanz- und Wirtschaftskrise schwierigere Zeiten vorhergesagt. Wörtlich hiess es in Ihrer damaligen Rede u.a.: «Es geht darum, auch wenn es schmerzlich sein sollte, neue Wege zu finden und Pfade, die sich nicht bewährt haben, zu verlassen…» Wie war oder ist diese Aussage  heute zu verstehen?

Landtagspräsident Arthur Brunhart: Ich denke, dass wir inzwischen alle zur Kenntnis nehmen mussten, dass sich die viel zitierte Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur irgendwo in Europa oder der Welt, weit von uns entfernt, abspielt. Unser kleines Land und Teile seiner wichtigen Wirtschaftszweige - namentlich im Treuhand- und Finanzwesen - sind international unter starken Druck geraten; begleitet vielleicht von schmerzlichen Konsequenzen für den sehr hohen, streckenweise luxuriösen Wohlstand, an den wir uns in den letzten Jahrzehnten auf fast allen Gebieten so schnell und meist ohne langes Reflektieren gewöhnt haben. Es ist im öffentlichen Leben nicht anders als im privaten: Etwas geben fällt leichter als etwas   wegnehmen, wenn es auch nur teilweise so ist. Und wenn es uns im Vergleich auch immer noch weit besser geht als vielen vergleichbaren Ländern.

exclusiv: Sprechen Sie damit die Massnahmen an, die von der Regierung zur Sanierung des in die Schieflage geratenen Staatshaushaltes angekündigt und vom Landtag inzwischen teils kontrovers diskutiert und mehrheitlich gutgeheissen wurden?

Landtagspräsident Arthur Brunhart: Die von der Koalitionsregierung vorgelegten und beschlossenen Spar-Vorschläge zur längerfristigen Sanierung unserer Staatsfinanzen sind das eine, wie wir in- und ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger damit umgehen, ist das andere. Regierung und Landtag waren und sind gefordert, das finanziell angeschlagene Boot frühzeitig, ich meine rechtzeitig, wieder auf Kurs zu bringen. Es sind formulierte Zielsetzungen. Dieser erste Schritt ist richtig und wichtig; man muss wissen, wohin man will. Letzten Endes kann sich der Erfolg nur einstellen, wenn alle ihren Teil dazu beitragen - es geht nicht an, auf dem Buckel der einen oder anderen zu sparen, sondern es sollen alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten mittragen. Wenn ich sage alle, dann meine ich nicht nur die mehr oder weniger betroffenen Menschen in unserem Land, sondern auch die politischen Institutionen; also den Staat selbst, Regierung, Verwaltung, auch Sozialwerke und Gemeinden. Noch eine Anmerkung: Sparen muss man mit Augenmass, in Abwägung, verhältnismässig und im Interesse der Gesellschaft. Man spart nicht um des Sparens willen, sondern weil es notwendig ist. Auch Sparmassnahmen müssen letztendlich der Förderung der gesamten Volkswohlfahrt dienen, wie das im 14. Artikel unserer Verfassung festgeschrieben ist. Ich bin überzeugt, dass ein auf starken ökonomischen Füssen stehendes Staatswesen dafür mehr tun kann als ein verschuldetes und dass ein finanziell robustes Gemeinwesen in Bildung, Sozial-wesen, Infrastruktur, internationale Zusammenarbeit und anderes mehr und besser investieren kann als ein Staat, der zuerst die eigenen Schulden zu bedienen hat. Wir alle haben in der jüngeren Vergangenheit von den Vorteilen des bisweilen leicht erworbenen Wohlstandes profitiert. Jetzt sollten wir auch in den etwas raueren Winden, denen wir inzwischen ausgesetzt sind, zusammenstehen.

exclusiv: Liechtensteins Volk, seine Nachbarn und Freunde werden sich am 15. August - gutes Wetter vorausgesetzt - wieder über einen schönen äusserlichen Rahmen, sich über einen   würdigen Festakt auf der Schlosswiese und über ein fröhliches Volksfest freuen. Was bedeutet Ihnen persönlich der Staatsfeiertag?

Landtagspräsident Arthur Brunhart: Der 15. August hat mir schon in meiner Kindheit viel bedeutet. Am Abend dieses Tages stiegen wir Balzner Buben und Mädchen aus unserem Viertel auf den Hügel der Burg Gutenberg. Von dort konnte man das Feuerwerk, das von Schloss Vaduz aufstieg, recht gut beobachten. Später wurde die Bedeutung unseres Staatsfeiertages für unser Land und unser Volk deutlicher. Ihm kommt ein hoher staats- und souveränitätspolitischen Stellenwert zu und er hat eine wichtige integrative Funktion.

Vergessen wir nicht, dass es vor siebzig Jahren, als die Mehrheit unseres Volkes den 15. August erstmals in ähnlicher Form wie heute begehen konnte, auch um unsere staatspolitische  Unabhängigkeit, um unsere Freiheit und Eigenständigkeit ging. Die meisten Menschen hatten das Empfinden, dass man mit unserem Land, mit unserer Demokratie, mit der Staatsform als konstitutionelle Monarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage und mit dem Fürstenhaus über etwas ganz  Besonderes verfügte, für das man selbstbewusst und mit Selbstvertrauen einstehen konnte.

Dem Fürstentum Liechtenstein und den Menschen der Jahre um 1940 ging es materiell weniger gut, als wir uns dies heute vorstellen können. Trotzdem gaben sie uns etwas mit, nämlich die Überzeugung, dass wir als anerkannter Teil der Völkergemeinschaft und als Kleinstaat auf Dauer nur überleben, wenn wir das auch wollen, und dass es sich lohnt, Eigenständigkeit und Entscheidungsfreiheit zu bewahren, miteinander sich einzusetzen und füreinander einzustehen!                                     

Landtagspräsident Arthur Brunhart, Fürstlicher Rat Walter-Bruno Wohlwend

interview: walter-bruno wohlwend fotos: © exclusiv


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