Rückblick auf den Themenabend – «Der Staat im dritten Jahrtausend»
(v.l.) S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein, Johannes Matt, Karl-Peter Schwarz, Dr. Gerald Hosp, Prof. Dr. Michael Wohlgemuth
Am Dienstag, 24. Juni 2025, fand in der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein der Themenabend der Stiftung für Staatsrecht und Ordnungspolitik (SOuS) statt. Im Zentrum stand das Buch «Der Staat im dritten Jahrtausend» von S.D. Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein – ein Werk, das zur Reflexion anregt, Denkanstösse liefert und Zukunftsfragen stellt.
Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft folgten der Einladung, darunter S.D. Prinz Philipp von und zu Liechtenstein, S.D. Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein, Landtagspräsident Manfred Kaufmann sowie Regierungsrat Hubert Büchel.
Einführung: Zeitwende und Staatsvision
Stiftungsrat Johannes Matt eröffnete die Veranstaltung mit einem Blick auf die gegenwärtige Lage und einem Zitat aus dem Werk des Fürsten: «Zwar ist das dritte Jahrtausend noch jung, doch haben sich bereits Entwicklungen ereignet, die mit dem Begriff «Zeitenwende» belegt werden». Es ist offen, ob sich daraus eine Wende zum Besseren ergibt – etwa im Sinne jener Vision, die S.D. Fürst Hans-Adam II. in seinem Buch beschreibt: der Wandel des Staates vom Halbgott zum Dienstleister.
Zwischen Historie und Zukunft: Eine neue Sicht auf den Staat
Prof. Dr. Michael Wohlgemuth, Forschungsbeauftragter der Stiftung, moderierte den Themenabend und würdigte das Buch als eine bemerkenswerte Verbindung von historischer Tiefenschärfe und visionärer Staatsphilosophie.
Er hob hervor, dass die Grundidee des Werkes keineswegs spontan entstanden sei: Bereits 1985 hatte S.D. Fürst Hans-Adam II. in seiner Thronrede die Notwendigkeit betont, den Staat auf seine Kernaufgaben zu beschränken, um das Gleichgewicht zwischen Staatsaufgaben und demokratischer Kontrollfähigkeit zu sichern. Dabei entstehe das Konzept des «kleinen Staates» in zweifacher Bedeutung, als kleiner Bevölkerungs- und Gebietsstaat sowie als Staat mit schlanken und klar begrenzten Aufgaben.
Das Buch sei kein akademisches Werk, sondern reflektiere die vielfältigen Erfahrungen des Fürsten, als Staatsoberhaupt, Politiker, Geschäftsmann und Historiker. Es sei gleichermassen politisches Manifest und praktischer Leitfaden, der liberale Grundwerte wie individuelle und gemeinschaftliche Selbstbestimmung, Subsidiarität, Rechtsstaatlichkeit, Freihandel und direkte Demokratie in den Mittelpunkt stelle.
Besonders betonte Prof. Dr. Wohlgemuth die visionäre Kraft des Buches, das nicht nur auf aktuelle Herausforderungen reagiere, sondern auch innovative Lösungsansätze biete: etwa die Förderung von Dezentralisierung, Wettbewerb zwischen föderalen Einheiten, Bildungsgutscheine und kapitalgedeckte Rentensysteme. Das Werk fordere dazu auf, den Staat neu zu denken und ihn als Dienstleister für die Bürger zu begreifen, um ihn angesichts globaler Unsicherheiten und geopolitischer Umbrüche zukunftsfähig zu machen.
In dieser Perspektive wird der Staat nicht als Herrschaftsinstrument verstanden, sondern als Organisation, die sich daran messen lassen muss, welche Leistungen sie für die Menschen besser erbringen kann als andere Institutionen. Dieser Paradigmenwechsel sei gerade für Kleinstaaten wie Liechtenstein zentral, die sich im globalen Wettbewerb behaupten und dabei demokratisch legitimiert bleiben wollen.
Zwei profilierte Redner waren eingeladen, ihre Sicht auf das Werk und die Gegenwart zu teilen: Dr. Gerald Hosp, Geschäftsführer der Denkwerkstatt Zukunft.li, sowie der österreichische Publizist Karl-Peter Schwarz.
Überlebenschancen direkter Demokratie – Einblicke von Karl-Peter Schwarz
Karl-Peter Schwarz betonte die historische Verwurzelung direkter Demokratie in agrarischen Gesellschaften wie der Schweiz oder Liechtenstein. Das Buch des Fürsten verortete er in eine Phase des Umbruchs nach 1989, als viele Staaten auf politische Öffnung hofften. Heute sei jedoch offensichtlich, dass autoritäre Systeme in der Lage sind, westliche Technologien rasch zu adaptieren und gegen demokratische Gesellschaften zu wenden – eine Entwicklung, die der Fürst womöglich unterschätzt habe.
Globalisierung, Protektionismus und Demokratie – Perspektiven von Dr. Gerald Hosp
Dr. Gerald Hosp bezeichnete die Periode von 1989 bis 2014 als eine der hoffnungsvollsten Phasen der jüngeren Geschichte. Doch mittlerweile sei ein Trend zu wirtschaftlicher Abschottung, Industriepolitik und Fragmentierung erkennbar – parteiübergreifend, etwa durch Donald Trumps Handelskriege und Joe Bidens industriepolitische Programme.
Er erinnerte daran, dass direktdemokratische Elemente auch in föderalen Staaten wie den USA bestehen – beispielsweise in Kalifornien – jedoch mit gemischten Ergebnissen. Entscheidend sei nicht nur die Form, sondern das gesellschaftliche Fundament demokratischer Verfahren.
Demokratische Verfahren im historischen Vergleich
Karl-Peter Schwarz führte das Beispiel der Republik Venedig an, die über Jahrhunderte mit einem komplexen Wahlsystem experimentierte, das Wahlgremien mit Losverfahren kombinierte. Ziel war es, Machtkonzentration zu vermeiden. Dieses Modell könne, so Schwarz, zum Nachdenken über neue Wege demokratischer Legitimation anregen, gerade in Zeiten institutioneller Erosion.
Resilienz von Kleinstaaten – Lehren aus der Schweiz
Auf die Frage nach den Stärken kleiner Staaten verwies Dr. Hosp auf das föderalistische System der Schweiz. Der Wettbewerb zwischen den Kantonen – auch innerhalb derselben Sprachregion – fördere politische Innovation, Bürgernähe und Effizienz. Ähnliche Strukturen bestünden auch in Liechtenstein mit seinen elf Gemeinden.
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein schloss den Abend mit der Feststellung, dass «Der Staat im dritten Jahrtausend» ein ebenso fundiertes wie pointiert formuliertes Werk sei, das durch Klarheit, Weitsicht und einen eigenständigen Blick auf staatliche Ordnungsfragen überzeuge und sowohl im Fürstentum als auch über die Landesgrenzen hinaus zur Debatte und zum Nachdenken anrege. Er sprach allen Beteiligten – den Rednern, dem Moderator und den zahlreichen Gästen – seinen herzlichen Dank für den inspirierenden Abend aus und lud anschliessend zu einem sommerlichen Apéro im Garten der Hofkellerei ein.