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Liechtensteinisches LandesMuseum

Nibelungenlied Werke von Genia Chef

Das Team von exclusiv traf den Künstler Genia Chef an der Eröffnung der Sonderausstellung im LandesMuseum und bedankt sich für den persönlichen Einblick und das Gespräch.

Herr Chef, Sie wurden 1954 in Aktjubinsk, Kasachstan, geboren und leben und arbeiten seit über 30 Jahren in Berlin. Sie hatten Ausstellungen in Moskau, New York, Australien, Spanien, Deutschland, London, Italien um nur einige Orte zu nennen. Sie nahmen an der Biennale in Venedig teil, 1993 wurde Ihnen der «Master of Fine Arts» sowie der Fueger-Goldpreis verliehen, 2017 wurden Sie Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Künste. Welche Bedeutung hat für Sie die Ausstellung im Liechtensteinischen LandesMuseum und was inspirierte Sie, sich mit dem Nibelungenlied zu befassen? 

Genia Chef: Es ist für mich ein grosser Glücksfall. Meine ersten Entwürfe zum Nibelungenlied habe ich im Jahr 2016 gemacht. Als Prof. Dr. Rainer Vollkommer vor zwei Jahren zufällig bei einer Vernissage meine Zeichnungen sah, hat er mich eingeladen, meine Arbeiten zum Nibelungenlied im Liechtensteinischen LandesMuseum auszustellen.

Diese Einladung hat mich erneut sehr inspiriert. Das Nibelungenlied spielt zur Zeit der Völkerwanderung und handelt am Rhein und Liechtenstein liegt auch am Rhein. So intensivierte ich meine Arbeiten und es entstanden mehr als 300 Illustrationen zum Nibelungenlied. Wenn wir im Liechtensteinischen LandesMuseum auch nicht alle ausstellen können, zeugen die 220 gezeigten Bilder in der Ausstellung von der Vielschichtigkeit und dem Reichtum des Nibelungenliedes.

Viele der Zeichnungen habe ich während der Pandemie gemacht, also in einer sehr ungewöhnlichen Zeit. Das Nibelungenlied zeigt die ganzen menschlichen Gefühle, Liebe und Hass, Treue und Verrat, Zärtlichkeit und grenzenlose Brutalität. Sie sind in diesem Epos vereint.

Mit der Pandemie begann eine Zeit, die uns zu diesem kulturellen Nachlass zurückführt. Grosse Gefühle und eine grosse Tiefe für die Psyche der Menschen, die ganze Sage ist sehr äquivalent. Sie beginnt mit der engelhaften Kriemhild, mit dem Held Siegfried und der brutalen Brünhild. Die Figuren zeigen für die hochmittelalterliche Dichtung unübliche, detailliert ausgearbeitete Charaktere, die sie zum Teil sehr modern wirken lassen. Das Nibelungenlied bietet mehr als die Verherrlichung von Helden und Heldentaten. Es ist eine spannende  Mischung aus Mythischem und Historischem. Der dramatische Stoff dieser mittelalterlichen Sage, die anfangs poetisch beginnt, mit viel Glück inspiriert ist und mit einer Brutalität endet, wie man sie selten in einem Werk liest.

Wie ich anfangs erwähnt habe, ist es ein Glücksfall, dass das Fürstentum Liechtenstein die erste Station ist, wo meine Bilder im LandesMuseum präsentiert werden. Erstens liegt Liechtenstein am Rhein und zweitens hat das Land ein mittelalterliches Schloss. Also ist Liechtenstein meiner Meinung nach der perfekte Ort, die Ausstellungstour zu beginnen. Danach geht es weiter entlang des Rheins, in verschiedene Burgen und Museen. Die nächste Station wird Xanten sein, danach wird die Ausstellung in der Drachenburg präsentiert, eine weitere Station wird Pfalzgrafenstein sein. Dann wird es weitergehen mit verschiedenen Stationen an der Donau. Beendet wird die Reise mit der Ausstellung 2023 in der Burg Esztergom bei Budapest, eine Höhenburg mit grosser Bedeutung in der osmanischen Geschichte, die zeitweise von Moslems und zeitweise von Christen beherrscht wurde. Die Ausstellungstour ist also ein Nibelungen-Weg.

Als Knabe war ich vom Mittelalter begeistert, ich habe verschiedene Figuren von Rittern und Schlachten gezeichnet. Als ich ein bisschen älter war, besuchte ich zuerst die grafische Akademie in Moskau und später die Akademie der bildenden Künste in Wien. Je länger ich in Deutschland lebte, verstand ich diese bestimmte Ästhetik von Expressionismus. Das Nibelungenlied ist ein sehr expressives Werk. Es geht über schwarz und weiss, über tiefen von menschlichen Existenzen, über Abgründe, über viel Licht aber genauso viel Schatten. Dieser Stoff ist wie geschaffen für einen graphischen Zyklus. Als junger Künstler habe ich die Ambivalenzen nicht bemerkt, dieser Gedanke über das Schicksal der Menschheit.

Ich habe versucht, auch das Material, das ich für die Zeichnungen benutzte, mit dem Mittelalter zu verbinden. Ich habe nicht ein weisses, fleckenfreies Papier verwendet. Nein ich habe Papier verwendet, das schon Zeichen der Zeit trug, ich habe das Papier mit Spritzern von Tee und Tusche versehen. Ich habe mit Vogelfedern gezeichnet, mit ihnen gelang mir das expressive Zeichnen. Ich habe begonnen, Teile aus meiner Umgebung einzubauen, verschiedene Kartons, Verpackungen usw., ich habe sie zerrissen und begann darauf zu zeichnen. Diese Papier- oder Kartonfetzen, die Teeflecken und die Vogelfedern wurden in einen Prozess mit der Geschichte eingebunden.

Für mich ist die Sage der Nibelungen eine Weltgeschichte, die das Drama der ganzen Menschheit zeigt. Die Geschichte zeigt auf, wie wichtig die Verzeihung ist. Dass wir uns nicht von der Rache leiten lassen sollten, sondern Liebe finden, wo es im Grunde genommen manchmal fast unmöglich erscheint. Während meiner Arbeit habe ich die Gegenwart mit der Vergangenheit vereint. In Nachrichten über Covid-19 habe ich gehört, dass Länder schliessen und dass die Menschen keinen Kontakt haben dürfen. In diesen Momenten habe ich grosse Parallelen mit dem dramatischen Stoff der Nibelungen gespürt.

Eine grosse Freude für mich ist das wunderbare Buch, welches zur Ausstellung entstanden ist. Mein persönlicher Dank gilt hier im Speziellen Prof. Dr. Rainer Vollkommer, der dieses Projekt  initiiert und auch das Vorwort im Buch geschrieben hat, und dem internationalen Kunsthistoriker und Kurator Mark Gisbourne für seine tiefgründige Analyse meiner Arbeiten.

Ich wünsche der Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher und Ihnen allen viel Freude beim Besuch der Ausstellung.

Die Sonderausstellung im Liechtensteinischen

LandesMuseum dauert bis Sonntag, 23. Mai 2021

Weitere Informationen: www.landesmuseum.li

Der Künstler, Genia Chef

Genia Chef, Aventiure XXVI, 1602, Hagen erblickt die bayrischen Verfolger, Mischtechnik auf Leinwand, 2020, 40 x 50 cm

(v.l.) Der Galerist Marcus Diede, der Künstler Genia Chef mit seiner Gattin Elke, Prof. Dr. Rainer Vollkommer, Direktor Liechtensteinisches LandesMuseum

Genia Chef, Aventiure XIV, 873, Hagen überredet Gunther, Siegfried töten zu lassen, Mischtechnik auf Papier, 2020, 13 x 20,5 cm

Genia Chef, Aventiure XXV, 1572, Hagen steuert das Boot der Burgunder auf dem Weg zu König Etzel, Mischtechnik auf Papier, 2020, 18,5 x 23,5 cm

Genia Chef, Aventiure XXI, 1295, Kriemhild erreicht Passau auf ihrem Weg zu

König Etzel, Mischtechnik auf Papier, 2020, 20 x 27 cm

fotos: © liechtensteinisches landesmuseum + text: © exclusiv

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