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Interview mit Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni

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Mit Weitblick für Liechtenstein: Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni über Politik, Kultur und Verantwortung

Mit Weitblick für Liechtenstein: Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni über Politik, Kultur und Verantwortung

Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni | © exclusiv
Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni | © exclusiv

Silvia Abderhalden im Gespräch mit Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni

Seit 2021 ist   als Regierungschefin-Stellvertreterin Mitglied der Regierung des Fürstentums Liechtenstein. Seit 2025 führt sie das Ministerium für Äusseres, Umwelt und Kultur. Von 2021 bis 2025 führte sie das Ministerium für Inneres, Wirtschaft und Umwelt.

Silvia Abderhalden: Frau Monauni, Sie sind nun in Ihrer zweiten Amtszeit als Mitglied der Regierung. Was hat sich im Vergleich zur ersten Legislatur verändert und wie sind Sie in den neuen Ministerien angekommen?

Sabine Monauni: Für mich war es fast wie ein nahtloser Übergang. In der letzten Legislatur war ich bis ganz zum Schluss mit meiner Agenda beschäftigt – unter anderem auch mit der schwierigen und anspruchsvollen Abwicklung von «Radio L». Es war eine intensive Phase, ohne eigentliche Pause zwischen der ersten und zweiten Legislatur. Umso mehr habe ich mich gefreut, als klar wurde, dass ich erneut Teil der Regierung sein darf. Besonders erfreulich war für mich, dass ich neue Portfolios übernehmen konnte, darunter sogar jene, die ich mir insgeheim gewünscht hatte, auch wenn ich immer gesagt habe: Die Regierung ist kein Wunschkonzert (lacht).

Vor allem das Aussenministerium ist für mich ein Stück Heimkommen. Von 2016 bis 2021 war ich Botschafterin Liechtensteins in Brüssel, und es ist ein schönes Gefühl, frühere Kolleginnen und Kollegen nun in einer neuen Rolle wiederzutreffen, damals als Botschafterin, heute als Aussenministerin. Ich freue mich, an meine beruflichen Erfahrungen von früher anzuknüpfen. 

Das Umweltministerium durfte ich behalten. Somit besteht hier Kontinuität, was auch gut ist. Die Umwelt deckt ein sehr breites Themenfeld ab - vom Umweltschutz über die Landwirtschaft bis hin zu Jagd und Waldbewirtschaftung. Die Umwelt ist unsere Lebensgrundlage, die wir für kommende Generationen bewahren müssen. 

Besonders freut mich zudem der Geschäftsbereich Kultur. Ich schätze das vielfältige Kulturangebot in Liechtenstein sehr, auch wenn mir in den letzten Jahren neben meinen Aufgaben oft die Zeit gefehlt hat, dieses zu nutzen. Nun habe ich als Kulturministerin die Möglichkeit, das Angenehme mit dem Beruf zu verbinden. 

Natürlich habe ich auch mit etwas Wehmut bestimmte Bereiche abgegeben. Viele meinten: «Du hattest einige schwierige Portfolios, jetzt wird es wohl einfacher.» Doch wenn man vier Jahre lang intensiv an Themen gearbeitet und den Anspruch hatte, diese voranzubringen, dann fällt es nicht leicht, sie loszulassen. Doch jetzt stehen neue Aufgaben und Herausforderungen an und ich freue mich, diese anzupacken.

Sie sind das einzige Mitglied der Regierung, das nach der letzten Legislatur im Amt geblieben ist. Welche Vorteile bringt es, bereits Erfahrung aus einer vollen Amtszeit mitzubringen – und wo sehen Sie zugleich die besonderen Herausforderungen in dieser Rolle?

Für mich persönlich war der Einstieg in die neue Legislatur sicher etwas leichter als für die neuen Regierungsmitglieder. Ich konnte einen Rucksack voller Erfahrungen aus den ersten vier Jahren mitbringen und weiss wie die Regierungsarbeit und die Verwaltung funktioniert. Dieses Wissen erleichtert den Start enorm. Natürlich stehe ich den neuen Regierungsmitgliedern bei Fragen gerne mit Rat zur Verfügung. Zudem können wir uns auf sehr gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Ministerien und Amtsstellen stützen, welche ein grosses institutionelles Wissen besitzen. Gleichzeitig funktioniert jedes Regierungsteam aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeiten anders. Jeder Wechsel ist auch eine Chance, gewisse Dinge und Abläufe zu hinterfragen.

Wie haben Sie als neues Team zusammengefunden, und was war Ihnen beim Start in die Zusammenarbeit besonders wichtig?

Wir haben uns als Team sehr gut gefunden und wollen gemeinsam Dinge voranbringen. Gerade in einer Zeit, in der die Polarisierung in der Gesellschaft zunimmt und das Vertrauen in die Politik abnimmt, ist das besonders wichtig. Deshalb ist es entscheidend, dass wir als Exekutive verlässlich zusammenarbeiten, Verantwortung übernehmen und auch mutige Entscheidungen treffen.

In dieser neuen Regierung haben wir uns zu Beginn bewusst Zeit genommen, um gemeinsam zu bestimmen, welche Ziele wir verfolgen und welche Werte uns in der Zusammenarbeit leiten. Ich erlebe den Umgang in der Regierung bis anhin als sehr kollegial und wertschätzend.

Am Ende ist klar: Wir alle haben grosse Herausforderungen auf dem Tisch, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Niemand von uns kann die Themen allein bearbeiten. Zusammenarbeit ist entscheidend - nicht nur in den einzelnen Ministerien, sondern auch in der Regierung insgesamt. Politik funktioniert heute nicht mehr in Silos. Alles hängt zusammen: Aussenpolitik ist eng mit Sicherheitspolitik verknüpft, Wirtschaftspolitik mit Aussenhandel, Umweltpolitik mit Energie und Wirtschaft. Diese Themen müssen ganzheitlich betrachtet werden. Umso wichtiger ist es, dass wir auch fähig sind, Kompromisse einzugehen. Denn ohne Kompromisse kommen wir in der Politik nicht vorwärts. 

Mit zwei Frauen an der Spitze der Regierung haben wir erstmals eine weibliche Doppelspitze. Wie fühlt sich das für Sie an, was hat sich verändert, und spielt das Geschlecht überhaupt eine Rolle?

Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass auch Frauen an der politischen Spitze sind. Es ist gut, dass auch in unserem Land diese Lanze gebrochen wurde. Vor allem international wird die Frauen-Doppelspitze als sehr positiv wahrgenommen. Unser Land galt in der Wahrnehmung lange als eher konservativ und zuweilen rückständig – wir haben das Frauenstimmrecht spät eingeführt und bis heute haftet uns manchmal noch ein etwas traditionelles Bild an. Nun senden wir ein klares Signal: Liechtenstein ist fortschrittlich, Gleichberechtigung ist selbstverständlich und es ist auf politischer Ebene heute möglich, dass Frauen Führungspositionen übernehmen. Ich denke, das kann vor allem andere Frauen motivieren, sich politisch zu engagieren. Auch ich hatte in meiner Karriere weibliche Vorbilder und Unterstützerinnen, die mir den Weg geebnet haben.

Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni | © exclusiv
Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni | © exclusiv

Welche Themen liegen Ihnen persönlich besonders am Herzen, und welche politischen Prioritäten möchten Sie in dieser Legislatur verfolgen?

Das Regierungsprogramm ist noch in der Vorbereitung. Klar ist, dass wir in dieser Legislatur den Fokus auf das Thema Sicherheit legen werden. 
Die Welt hat sich in den letzten Jahren fundamental geändert. Wir haben einen Krieg in der Ukraine, der uns vor Augen führt, dass nicht mehr das Völkerrecht gilt, sondern die «Macht des Stärkeren». Europa kann sich nicht mehr auf die USA als Schutzmacht verlassen, sondern muss sich selbst verteidigen. Liechtenstein ist zwar nicht unmittelbar bedroht, aber auch wir müssen unsere Resilienz stärken, insbesondere in den Bereichen Cybersicherheit, Fake News und Künstliche Intelligenz. Gerade in unsicheren Zeiten ist es wichtig, dass wir robuste und verlässliche Partnerschaften haben. Die Diplomatie spielt hier eine wesentliche Rolle. Sie schafft Kanäle des Vertrauens, ermöglicht es, Spannungen frühzeitig zu erkennen und trägt dazu bei, dass Liechtenstein trotz seiner Kleinheit gehört wird. Gleichzeitig hilft sie, Allianzen zu knüpfen, Wissen auszutauschen und unsere Interessen in einer komplexen Welt wirksam zu vertreten. Diplomatie ist damit nicht nur Krisenmanagement, sondern auch aktive Zukunftsgestaltung.

Zusätzlich zu diesen aussenpolitischen Aspekten ist es wichtig, die Resilienz und den Zusammenhalt im Inland zu stärken. Dazu gehört auch der Umgang mit den Folgen des Klimawandels, der unsere Gesundheit, unsere Wälder und unsere Landwirtschaft zunehmend fordert. Begrünung in den Gemeinden, ein robuster Wald und innovative Ansätze wie die klimawirksame Landwirtschaft helfen uns, widerstandsfähiger zu werden und die Klimastrategie konsequent umzusetzen. Gleichzeitig spielt die Kultur eine wichtige Rolle, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und die Resilienz der Bevölkerung zu stärken.

Sie haben erwähnt, dass Sie sich über den Geschäftsbereich Kultur besonders freuen. Welche Impulse möchten Sie in diesem Bereich setzen, und wo sehen Sie Entwicklungspotenzial?

Im Bereich Kultur wird die Kulturstrategie im Zentrum stehen. Ich bin sehr motiviert, gemeinsam mit allen Interessierten einen partizipativen Prozess anzustossen und voranzubringen. Kultur spielt gerade in Zeiten grosser Verunsicherung und gesellschaftlicher Risse eine zentrale Rolle: Sie bringt Menschen zusammen, eröffnet neue Perspektiven und hilft, über die eigenen «Bubbles» hinauszublicken.

Mein Ziel ist, dass Kultur für alle zugänglich bleibt, insbesondere für junge Menschen, und dass wir unser breites Angebot von Theater, Bibliothek, Museen bis zu Konzerten erhalten können. Das ist nicht selbstverständlich und braucht Aufmerksamkeit sowie Wertschätzung. Klar, die Finanzierung wird Thema sein. Ich bin aber überzeugt, dass Kultur nicht allein vom Staat abhängig sein darf, sondern auch selbst Leistung erbringen soll. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Kulturszene, insbesondere die junge, gedeihen kann. Auf diese Diskussion freue ich mich sehr.

Sie sind sowohl Aussenministerin als auch Kulturministerin. Wie gelingt es, diese beiden Aufgabenbereiche miteinander zu verbinden und bleibt dabei noch Zeit für die Kultur?

Ich bin überzeugt, dass es ideal ist die beiden Themenbereiche Äusseres und Kultur zusammenzubringen. Kulturaussenpolitik kann dadurch gezielter wirken: Wir können Plattformen der Aussenpolitik nutzen, um Kulturschaffende international zu unterstützen und ihnen Sichtbarkeit zu geben. Das ist zentral, denn viele möchten Erfahrungen sammeln und sich über die Grenzen hinaus präsentieren.

Ein Beispiel ist TRADUKI, ein europäisches Netzwerk, das mit Literatur, Übersetzungen, Festivals und Residenz-Programmen den südosteuropäischen Raum mit dem deutschsprachigen Kulturraum verbindet und zugleich den Austausch innerhalb Südosteuropas stärkt. Kürzlich wurde auch eine liechtensteinische Autorin in diesem Rahmen übersetzt. Solche Momente zeigen, wie Kultur Türen öffnet, Begegnungen schafft und die bilateralen Beziehungen vertieft.

Natürlich bedeutet die Kombination verschiedener Ressorts auch einen Spagat. Doch Reisen und internationale Kontakte sind längst nicht mehr allein Aufgabe der Aussenministerin, alle Ressorts haben aussenpolitische Komponenten. Auch die Finanzministerin und der Wirtschaftsminister sind grenzüberschreitend unterwegs. Den Luxus, nur ein Ministerium zu betreuen, haben wir in unserem Land nicht, daher müssen wir Prioritäten setzen und die richtige Balance finden.

Klar ist: Ein Regierungsmitglied kann nicht überall sein. Ich versuche möglichst viele Anlässe wahrzunehmen, auch wenn es manchmal Prioritäten zu setzen gilt und nicht jeder Termin möglich ist. Dafür bitte ich um Verständnis. 

Das Thema Sicherheit ist derzeit sehr präsent. Muss sich die Bevölkerung Sorgen machen?

Wir leben nach wie vor in einem der sichersten und privilegiertesten Länder. Es geht nicht darum, Angst zu machen, sondern Verantwortung zu übernehmen und bestimmte Fakten offen anzusprechen. Von einer Regierung darf erwartet werden, dass sie geopolitische Veränderungen verständlich vermittelt.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine markiert tatsächlich eine «Zeitenwende». Zum ersten Mal seit Jahrzehnten erleben wir wieder einen Krieg auf europäischem Boden, etwas das wir uns vor ein paar Jahren kaum vorstellen konnten. Für uns als Kleinstaat ergeben sich daraus besondere Herausforderungen. Fragilere Lieferketten, unsichere geopolitische Rahmenbedingungen, wachsende Bedeutung von Zöllen für die Wettbewerbsfähigkeit und ein erhöhtes Risiko von Cyberangriffen auf unser hochdigitalisiertes Finanzsystem.

Sie sind Familienfrau, Mutter und Ehefrau – wie reagierte Ihre Familie auf Ihre zweite Kandidatur?

Meine zweite Kandidatur wurde von meiner Familie einhellig unterstützt. Der Schritt vor vier Jahren mit Umzug von Brüssel nach Mauren und Schulwechsel war für uns als Familie deutlich grösser als nun die Entscheidung zum Weitermachen.

Ich habe grosses Glück: Mein Partner trägt meine Abwesenheiten mit Gelassenheit, und unsere Kinder sind mit diesem Rollenmodell sozusagen aufgewachsen, wir haben die klassischen Rollen getauscht. Ich glaube, sie sind stolz, dass ich in der Regierung bin und interessieren sich sehr für meine Arbeit, besonders wenn sie selbst betroffen sind, gerne hätten sie mich als Bildungsministerin gesehen.

Natürlich gibt es auch einen Preis: Meine Arbeit bringt lange Tage und volle Wochenenden mit sich, dadurch bleibt manchmal wenig Zeit für die Familie. Dennoch möchte ich gerade junge Frauen ermutigen, diesen Weg zu gehen – auch mit Partnerschaft und Kindern. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es lohnt sich, sich für das Land einzusetzen und einen Beitrag zu leisten. Gerade mit Blick darauf, welche Welt wir für unsere Kinder und für die nachfolgenden Generationen hinterlassen.
 
Wir bedanken uns bei Frau Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni ganz herzlich für das Interview.

Quelle: Text und Fotos © exclusiv

Silvia Abderhalden und Regierungschefin-Stellvertreterin Sabine Monauni | © exclusiv

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