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Liechtensteinisches LandesMuseum

Operetten in Liechtenstein

Die Tradition der Volkstheater in Liechtenstein geht in die Zeit um 1920 zurück. Damals begannen viele Männerchöre in der Fasnachtszeit volkstümliche Theater aufzuführen. Der einzige Zweck war die Unterhaltung des Publikums – und das ist bis heute so geblieben.

Die Ansprüche stiegen: 1940 wurde in Vaduz erstmals eine Operette inszeniert, Balzers folgte 1946. Diese Operetten waren die Highlights im liechtensteinischen Kulturschaffen. Die Besucherinnen und Besucher kamen in Scharen aus der ganzen Region. Doch die Männerchöre waren von den ständig wachsenden Ansprüchen überfordert. Die Operetten mussten auf eine neue Trägerschaft gestellt werden, wozu es die Operettenvereine brauchte. Heute stehen diese vor neuen Herausforderungen: Um die Zukunft der Operetten zu sichern, braucht es die Treue des Publikums, eine gute Verankerung im Dorf und in der Region, das Wohlwollen der Sponsoren und der öffentlichen Hand sowie die Mitwirkung renommierter Stars.

exclusiv im Interview mit Paul Vogt, Kurator der Ausstellung im Liechtensteinischen LandesMuseum.

Herr Vogt, wie kamen Sie zur Operette und wie zu der kuratorischen Aufgabe für die Ausstellung?

Paul Vogt: Ich wurde angefragt, bei der Jubiläumsschrift «75 Jahre Operette Balzers» mitzuhelfen. Es sollte etwas Besonderes werden, in dem die interessierte Leserschaft «herumschmöckern» kann. Das ist uns ganz gut gelungen. Dann kam eine Anfrage, ob ich die Ausstellung im Liechtensteinischen LandesMuseum kuratieren würde. Das hat mich gefreut, und nachdem ich als Pensionist auch Zeit dafür habe, habe ich gerne zugesagt. 

Ist die Operette eine Passion von Ihnen?

Also von einer Passion, einer Leidenschaft, würde ich nicht sprechen. Die Operette ist mir ans Herz gewachsen. Die Gemeinde Balzers ist sehr stolz auf ihre Operette. Ich bin in Balzers aufgewachsen und habe schon als Kind den «Grossanlass» Operette besucht. Darauf hat man sich gefreut, hat gestaunt, hat die Stars bewundert, die von städtischen Theaterbühnen nach Balzers und Vaduz gekommen sind. Solche Jugenderinnerungen haben viele Balznerinnen und Balzner meiner Generation. Sie sind Teil unserer Identität und unserer Kultur.

Wie entstand die Operette in Liechtenstein?

Balzers war immer stolz darauf, das «singende Dorf» zu sein. Der erste Männerchor in Balzers bildete sich um 1850. Die ersten Chöre gingen nach wenigen Jahren wieder ein. Das Neben- statt Miteinander der Chöre führte zu Spannungen, es fehlte an Kontinuität, an guten Dirigenten, an Geld und an geeigneten Proberäumen. Sowohl in Balzers wie auch in Vaduz wurden 1885 die ersten Theater aufgeführt, doch dies waren Einzelfälle.

Die Vorläufer der Operette waren Singspiele, die Schau- spieler einheimische Laien, die Freude am Theater spielen hat- ten. Seit 1918 wird in Balzers Theater gespielt – eine sehr be- achtliche, mehr als hundert- jährige Tradition.

In Vaduz – und das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert – führte der Frauenchor 1919 im Adlersaal das Märchenspiel «Schneewittchen» auf. Bereits 1912 hatte der Jungfrauenverein Triesen ein Theater aufgeführt - offenbar gab es wie in den Vereinen auch beim Theaterspielen eine Geschlechtertrennung. Frauen- chöre wurden in Balzers von den Männern noch nicht gelitten, erst 1969 entstand mit dem Singkreis Gutenberg ein  Frauenchor, mit dem bei den Operetten sehr gut zusammengearbeitet wurde.

Der Männerchor Schaan war der erste Verein, der in Liechtenstein Operetten inszenierte. 1940 folgte der Sängerbund Vaduz, 1946 der Männergesangverein Balzers. 1926 wurde in Balzers ein Gemeindehaus mit einem Gemeindesaal erbaut, 1934 in Vaduz das Rathaus mit einem Saal. Die bessere Infrastruktur hat den Vereinen sehr geholfen. Charakteristisch für Operetten ist die Verbindung von Schauspiel, Orchester, Chor und Ballett. Der Wunsch nach immer besserer Qualität bedingte eine Abkehr vom reinen Laientheater und den Einbezug von Profis auf allen Ebenen. In der ganzen Region müssen qualifizierte Leute für den Chor, das Orchester und das Ballett gesucht werden – als Solistinnen und Solisten kamen nur mehr wenige Einheimische in Frage. Diese Öffnung bewirkte, dass die beiden Operettenbühnen rechtlich von den Männergesangsvereinen getrennt und eigenständig organisiert werden mussten (in Vaduz schon 1961, in Balzers erst 2005). 

Und spannen wir nun den Bogen zur Ausstellung, was erwartet die Besucher im LandesMuseum?

Ich möchte das mit einem Kunsterlebnis vergleichen, das ich in Wien hatte. Das Palais in der Rossau, das dem Fürsten von Liechtenstein gehört, war früher ein Museum für Moderne Kunst. Als ich das erste Mal dort war, stand dort ein Klavier, respektive ein zerstörtes Klavier, und man hat uns erklärt, die eigentliche Kunst, oder die Kunstaktion, war die Zerstörung des Klaviers. Natürlich ist eine Operettenaufführung mit einer solchen Kunstaktion nur bedingt vergleichbar, aber es ist doch so, dass der Vorgang, also die Aufführung, die eigentliche Kunst ist. Diese findet nicht im Museum statt. Wenn die Vorführungen zu Ende sind, ist quasi auch die Kunstaktion beendet. Übrig bleibt Papier, Plakate, viele Fotos, Filme, eine kunterbunte Sammlung von Requisiten, prächtige Kostüme. Das sind die Exponate, welche in der Ausstellung «Operetten in Liechten- stein» im Liechtensteinischen LandesMuseum gezeigt werden. Die Stücke erinnern an vieles, stehen stellvertretend für Vorgänge, reproduzieren die Atmosphäre einer Operette. Eine reiche Ausstellung!

Die Besucher erleben in der Ausstellung, welche Ideen und Gefühle hinter der Operette stehen. Man erhält Eindrücke aus der Welt der Operette, der Musik, schöner Gesang, Schau- spiel und Tanz, prunkvolle Kostüme, originelle Bühnenbilder – Leichtigkeit des Seins – meist Liebeleien, humorvoll und frivol, facettenreich – das spricht viele Menschen an.

Balzers und Vaduz sind stolz auf ihre Operetten, gab es da keine Konkurrenz? 

Zwischen der Operette Balzers und der Operettenbühne Vaduz bestand ein Konkurrenzverhältnis, heute ist die Zusammenarbeit sehr gut. In Balzers galt das ungeschriebene Gesetz, dass jemand, der in Balzers bei der Operette mitspielt, nicht gleichzeitig in Vaduz mitwirken sollte. «Austauschbar» waren nur «Auswärtige», aber keine «echten» Balzner. Selbstverständlich besuchte man gegenseitig die Operetten - man musste sich ja vergewissern bzw. bestätigen, dass die eigene Operette die   schönere war. Da gibt es eine lustige Anekdote: Offenbar haben die Balzner nicht so oft gelacht, wie sie nach der Meinung der Vaduzer hätten lachen sollen. Die Aussage der Vaduzer war dann: «Die Balzner verstehen halt den Witz nicht sofort, die können erst im Bus auf der Heimfahrt lachen...». Dazu muss man noch sagen, dass die Balzner den Ruf haben langsam zu sein. Solche witzigen Sticheleien wurden nicht allzu ernst genommen. Die Einsicht, dass sich die beiden Operettenbühnen gegenseitig unterstützen mussten, wuchs. 1974 wurde beschlossen, dass die beiden Operettenbühnen alternierend, also nur noch jedes zweite Jahr, eine Operette inszenieren. Das hat die beiden Operettenvereine sehr entlastet.

Ich wünsche allen Besucherinnen und Besucher der Ausstellung «Operetten in Liechtenstein» viel Freude beim Besuch – mit vielen schönen Erinnerungen an die Operetten, die in Balzers und Vaduz aufgeführt wurden.          

Wir bedanken uns bei Paul Vogt für das Interview.    

Die Ausstellung «Operetten in Liechtenstein» dauert von Donnerstag, 14. April 2022 bis Mittwoch, 8. Juni 2022.                                    

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