Botschafter in Brüssel
Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein
exclusiv im Interview mit
Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein,
Botschafter in Brüssel
• Seit 1996 sind Sie Botschafter des
Fürstentum Liechtensteins bei der
Europäischen Union und beim
Königreich Belgien. Wie sieht
Ihre Bilanz nach zehn Jahren aus?
Liechtenstein hat in den Jahren seine Zusammenarbeit mit der
Europäischen Union stark ausgebaut. Vor allem das Abkommen über den
europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat massgeblich die Entwicklung
unserer Wirtschaft mitbestimmt, aber auch politische Impulse ausgelöst.
Die Kooperation beschränkt sich aber nicht auf den EWR, wie die nun
laufenden Verhandlungsgespräche zu einer
Schengen-Assoziation Liechtensteins aufzeigen, deren Ziel eine Öffnung
der Grenzen und die sicherheitspolitische Kooperation sind.
Auch die Beziehungen zum Königreich Belgien und zum Heiligen Stuhl - ich bin auch
nichtresidierender Botschafter im Vatikan - sind gut. Wir werden
geachtet, trotz der Kleinheit unseres Landes. Wir nehmen auch in diesem
bilateralen Bereich vielfältige diplomatische Aufgaben wahr, nicht nur
auf repräsentativer Ebene. So gelingt es immer wieder einzelnen
Personen oder Unternehmen die notwendigen Auskünfte zu verschaffen,
Gesprächspartner zu vermitteln oder in Notlagen Hilfe anzubieten.
In einer persönlichen Bilanz erinnert man sich gerne an einzelne
Verhandlungserfolge: Die spezifischen Probleme Liechtensteins beim
Personenverkehr im EWR zu lösen, ein Abkommen über die
Zinsertragsbesteuerung mit der EU und eines über die Rechtshilfe mit
den USA abzuschliessen, waren für mich als Verhandlungsleiter
belastende Aufträge, aber zugleich befriedigende Momente eines
diplomatischen Lebens.
• Wie sieht Ihr Zeitmanagement aus,
oder wie kann sich der/die
liechtensteiner Bürger/in Ihr Tagesprogramm
und Ihre Tätigkeit vorstellen?
Der Tag im Büro beginnt um 7:45 Uhr mit der Durchsicht führender
europäischer Tageszeitungen und spezialisierter Agenturmeldungen. Im
weiteren Verlauf des Morgens folgt dann die Bearbeitung der
umfangreichen Post, Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
und die Telefontermine. Ein Wirtschaftsabkommen wie der EWR löst
ständig neue Fragen aus, die zu bearbeiten sind, wobei die Koordination
mit unserer Regierung, mit anderen Amtsstellen, aber auch mit unseren
Partnern in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und in der
EU eine wichtige Rolle spielen.
Wenn kein Arbeitslunch mit Besuchern ansteht, folgt zu Mittag eine kurze Sandwichpause am Arbeitsplatz.
Der Nachmittag gehört dann z. B. dem Schreiben eines Vortrages, eines
Artikels oder dem Formulieren einer liechtensteinischen
Verhandlungsposition. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind meist
an Sitzungen der EFTA oder des EWR. An solchen Sitzungen wird u.a.
festgelegt, welche EU-Rechtsakte wir in unsere Gesetzgebung
übernehmen müssen, an welchen Forschungs- und
Erziehungsprogrammen wir mitmachen, wer wie viel zu bezahlen hat und
welche Verwaltungsrichtlinien für die gemeinsamen
EFTA-/EWR-Institutionen gelten. Der spätere Nachmittag dient daher oft
der Berichterstattung über solche Sitzungen und die
für uns daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen.
Wenn keine Empfänge, Seminare oder Abendessen auf dem Programm stehen,
was mehrmals wöchentlich passiert, so kehre ich um ca. 19:00 Uhr nach
Hause zurück. Auch meine Frau nimmt Repräsentationsaufgaben wahr. So
ist sie Präsidentin einer Vereinigung von
Botschafterfrauen, welche u.a. die bessere Integration der Diplomatinnen in unserem Gastland Belgien bezweckt.
• Welche sind oder waren für Sie
persönlich wichtige Momente
in Ihrer Tätigkeit als Botschafter?
Der erste wichtige Moment war die Überreichung des
Beglaubigungsschreibens an den König bzw. den Präsidenten der
Europäischen Kommission und des Ministerrates der EU. Dies ist erstens
ein bedeutender repräsentativer Anlass und zweitens die Gelegenheit
sogleich auf höchster Ebene einen Dialog über die Beziehungen zu
pflegen. Schöne Anlässe erlebte ich auch bei Besuchen des Fürsten und
von Regierungsmitgliedern in Brüssel.
Im Gedächtnis haften bleiben einem auch wichtige
Unterzeichnungszeremonien: Ein besonderer Anlass war die Unterzeichnung
des EWR-Erweiterungsabkommens nach der Mitgliedschaft mit den zehn
neuen EU-Ländern. Zu Mittag unterzeichneten die EFTA-Minister in Vaduz
und am gleichen Nachmittag unterzeichneten wir mit der italienischen
EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel. Dies war für das EWR-Vorsitzland
Liechtenstein auch eine organisatorische Herausforderung!
• Die EU ist in der Lage, Staaten
unterschiedlicher Grösse aufzunehmen,
z.B. Malta. Welche Vorzüge einer
EU-Mitgliedschaft würden Sie
für Liechtenstein als jetziger
EWR-Mitgliedstaat sehen?
Liechtenstein ist derzeit gut im EWR aufgehoben, eine 10-jährige
erfolgreiche Lösung, die durchaus noch weiter Bestand haben kann. Eine
EU-Mitgliedschaft würde demgegenüber mehr Mitsprache und eine
verstärkte politische und wirtschaftliche Integration bringen. Dies hat
souveränitätspolitische Vorteile und mag einzelnen Sektoren auch
wirtschaftlich mehr bringen. Die Kosten eines solchen Schrittes mit
seinem Verwaltungsaufwand sind für ein kleines Land jedoch gross und
genau abzuwägen. Unabhängig von der gewählten institutionellen
Alternative erscheint es mir wichtig, dass Liechtenstein als
europäischer Staat seinen Beitrag zum europäischen Einigungswerk
weiterhin leistet.