Stellen Sie sich eine Weinflasche ohne Etikett vor ...
Silvia Abderhalden im Interview mit Markus Josat und Carlo Schoch von Helvetikett AG
Viele Etiketten des täglichen Gebrauchs werden bei uns in der Region hergestellt. Silvia Abderhalden von exclusiv.li hat bei Markus Josat, Geschäftsführender Gesellschafter Helvetikett AG (CEO) und Carlo Schoch, Geschäftsführender Gesellschafter Helvetikett AG (CFO) im Interview nachgefragt, warum aus der Firma Pago AG die Helvetikett AG wurde, wie die Geschäftsführung aus japanischen zurück in schweizerische und liechtensteinische Hände kam und warum keiner von uns an Etiketten vorbeikommt.
Was hat Sie dazu motiviert, das Unternehmen im Bereich Etiketten zu kaufen?
Im Frühling 2020 informierte uns die Geschäftsleitung des japanischen Mutterkonzerns Fuji Seal, dass sie den Etikettiermaschinenbau der Firma Pago AG in Grabs aufgeben würden und dieser zum Schwesterwerk Pago Deutschland verlagert wird. Wir waren uns bewusst, dass auch der Etikettenbereich in absehbarer Zeit betroffen sein würde. Dies wurde im Sommer 2020 bestätigt, als wir ein Gespräch mit einem Mitglied der japanischen Konzernleitung führten und uns mitgeteilt wurde, dass das Etikettengeschäft in der Schweiz zum Verkauf steht.
Es gab grundsätzlich drei Möglichkeiten: Erstens, das Unternehmen komplett zu schliessen. Zweitens, es an direkte oder verpackungsähnliche Mitbewerber zu verkaufen. Oder drittens, im Rahmen eines Management Buy Outs den Standort Grabs beizubehalten und den Etikettenbereich weiterzuführen, anstatt ihn an die Konkurrenz zu verkaufen oder eben zu schliessen. Somit war im Sinne der Arbeitsplatzerhaltung die Variante Management Buy Out klar die beste Alternative. Mit der Variante drei sind wir aktiv auf die Japaner zugegangen und haben unseren Vorschlag präsentiert. Dies wurde anschliessend im japanischen Board diskutiert, und wir bekamen die Genehmigung, weitere Gespräche zu führen. Im Januar 2021 erhielten wir die Exklusivität für Verhandlungen, um uns intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen. Von da an haben wir klar kommuniziert, wie wir uns die Zusammenarbeit und die Weiterführung des Unternehmens vorstellen. Diese Vorstellungen wurden wiederholt diskutiert und konkretisiert. Letztendlich haben wir Ende Mai das erste «Signing» mit der japanischen Gruppe vollzogen.
Die Gruppe Pago wurde 2012 vom Verpackungsunternehmen Fuji Seal gekauft, um Zugang zum europäischen Markt und zur Etikettiertechnologie zu erhalten sowie internationale Kunden im Bereich Etikettendruck und Etikettiertechnik zu gewinnen. Im Jahr 2020 wurde die Etikettiertechnik nach Deutschland verlagert, wobei ein Vertriebs- und Servicecenter für den Maschinenbau von Fuji Seal weiterhin in Grabs vorhanden war und bis heute besteht. Bei der Entscheidung, das «kleine» Werk in der Schweiz zu erhalten, angesichts der vergleichsweise geringen Einwohnerzahl von 8 Millionen gegenüber den 35 Millionen Einwohnern allein in Tokio, bestanden durchaus Bedenken hinsichtlich der Sinnhaftigkeit. Der Markt in der Schweiz, aus Sicht der Japaner, erschien sehr begrenzt. Da sie bereits über Kenntnisse des Marktes, der Kunden sowie des Etikettendrucks und der Etikettiermaschinen verfügten, schien das Schweizer Unternehmen nicht mehr lukrativ zu sein.
Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen, was würden Sie anders machen? Wenn Sie zurückblicken, was war genau richtig/falsch, was geht nicht vergessen?
Bei den Verhandlungen mit Japan traten einige Hürden auf. Der gesamte Aufbau der Vertragswerke erfolgte auf Deutsch und wurde anschliessend ins Englische übersetzt, bevor die Informationen an das japanische Board weitergeleitet wurden. Das führte häufig zu Missverständnissen aufgrund von Worten und Fachbegriffen, die nicht immer eindeutig verstanden wurden. Zudem spielten Mentalitätsunterschiede eine Rolle, da differenzierte Geschwindigkeiten und Verständnisniveaus vorhanden waren. Zu Beginn mussten Grundlagen geschaffen werden. Man darf sagen, wir haben uns voll ins Zeug gelegt. An den Übernahmeverhandlungen waren insgesamt vier Personen von Helvetikett beteiligt, nämlich Markus Josat, Carlo Schoch und zwei Verwaltungsräte. Weitere MBO Mitglieder, geschäftsführende Gesellschafter der Firma Helvetikett sind: Gerald Marxer, Leiter Informatik, Bernd Dehm, Leiter Technik und Innovation und Thomas Mächler, Verkauf. Es war uns bewusst, dass wir Investoren benötigten, da wir es nicht aus eigener Tasche finanzieren konnten.
Durch einen glücklichen Zufall fanden wir Personen aus der Branche, die Erfahrung mit solchen Transaktionen hatten und die wir zudem als Mit-Investoren gewinnen konnten: Donat Marxer, Klaus Bachstein, Alois Bearth und Franz Wirnsberger. Diese vier Personen lernten wir im Jahr 2020 kennen. Bei der Ausarbeitung der Verträge waren Alois Bearth, Klaus Bachstein und wir von der Helvetikett und unsere Anwälte beteiligt, auf der anderen Seite waren die Delegierten aus Japan, die Geschäftsführerin von Pago Deutschland und deren Anwälte involviert. Rückblickend können wir sagen, dass wir keine Fehler gemacht haben und unsere geplante Roadmap eingehalten haben.
Welche Herausforderungen sind Ihnen während des Transformationsprozesses begegnet und wie sind Sie damit umgegangen?
Es war eine grosse Herausforderung, die Kommunikation und das Verständnis in einer relativ kurzen Zeitspanne zu bewerkstelligen. Es ging vor allem zu Beginn dieses Projektes darum in kurzer Zeit detailliert zu verstehen, ob eine Herauslösung (Carve-Out) des Etikettengeschäftes Schweiz aus dem Grosskonzern sinnvoll sei. Die inzwischen erreichten Zahlen haben dies nun bestätigt. Nachdem wir im August 2020 informiert wurden, haben wir bereits im Mai 2021 alles abgeschlossen und unterzeichnet, innerhalb von acht Monaten war alles unter Dach und Fach.
Wir mussten eine neue Firma (neue juristische Person) gründen, das war der grösste Kraftakt, denn wir hatten nur drei Monate Zeit, um Lieferanten und Kunden zu informieren, neue Arbeitsverträge zu erstellen und sämtliche Beziehungen, Stammdaten zu staatlichen Behörden wie z.B. MWST, Sozialversicherungen, Export- und Importdokumente, lokalen und ausländischen Steuerämtern waren neu zu erstellen.
Warum nicht mehr Pago?
Das japanische Unternehmen Fuji Seal wollte den Namen Pago behalten, da sie weiterhin mit den Pago-Gerätschaften auftreten und arbeiten wollten. Der Name Pago ist auf dem Markt eine etablierte Marke. Jedoch wurden wir relativ spät darüber informiert, dass wir den Namen Pago nicht behalten dürfen. Das bedeutete, dass wir sehr schnell einen neuen Namen finden mussten. Wir haben eine externe Agentur engagiert, die gemeinsam mit uns den Namen «Helvetikett» entwickelt hat. Die Herausforderung im Abspaltungsprozess war u.a. auch der Verkauf des Gebäudes der japanischen Eigentümer an eine lokale Immobilienfirma. Dies hatte so zu erfolgen, dass es keine Nachteile für die Helvetikett und Fuji Seal gab. Denn ein Umzug der Etikettendruckerei in ein anderes Gebäude war ausgeschlossen. Wir hätten bei einem Umzug als neue Firma zu viel wertvolle Zeit verloren. Wir mussten ab Tag 1 nach dem go-live d.h. per 1. Oktober 2021 produktiv sein.