Botschafter in Strassburg
Dr. Daniel Ospelt
exclusiv im Interview mit
Dr. Daniel Ospelt
Ständige Vertretung Liechtensteins
beim Europarat in Strassburg
• Seit dem 10. September 2002 sind Sie
Ständiger Vertreter Liechtensteins
beim Europarat in Strassburg.
Herr Botschafter, wie sieht Ihre
persönliche Bilanz nach vier Jahren aus?
Es war für mich faszinierend, die ganze Bandbreite der Arbeiten des
Europarats kennen zu lernen und zu erleben, wie unser kleines Land
gleichberechtigt im Kreise der 45 anderen Mitgliedstaaten geachtet ist,
Sitz und Stimme wie die grossen Mitgliedstaaten hat, und wie ich als
Botschafter eines Kleinstaats im Kreise der anderen Botschafter in
herzlicher Freundschaft aufgenommen wurde. Es hat mich beeindruckt zu
sehen, wie liechtensteinische Experten in allen wichtigen
Arbeitsbereichen des Europarats präsent sind und durch ihre Teilnahme
an wichtigen Sitzungen und dem Gedankenaustausch mit ihren Kollegen aus
den anderen Ländern für unsere Verwaltung wertvolle Anregungen
mitnehmen. Der Nutzen solch vielfältiger
Kontakte für unser Land wird oft unterschätzt. Allein die Tatsache,
dass wir gleichberechtigt mit all den anderen Staaten auf der
europäischen Bühne in Erscheinung treten, stärkt aber unsere
Eigenstaatlichkeit und bewirkt, dass wir von den anderen ernst genommen
werden. Selbstverständlich hatte ich auch vielfach Gelegenheit, das
Bild unseres Landes in der ausländischen Öffentlichkeit richtig
zustellen und Klischeevorstellungen über Liechtenstein zu korrigieren.
• Wie sieht der Tagesablauf eines
Botschafters beim Europarat aus?
Nach der frühmorgendlichen Lektüre verschiedener Zeitungen widmet sich
der Botschafter der Beantwortung von schriftlichen wie auch
telefonischen Anfragen, dem Aktenstudium, der Vor- und
Nachbereitung der jeweils am Mittwoch stattfindenden
Ministerkomi-teesitzungen oder er nimmt an einer der zahlreichen
sonstigen Sitzungen diverser Gremien des Europarats teil. Die tägliche
Kontaktpflege zu anderen Botschaftern und zu Beamten im Sekretariat des
Europarats und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nimmt
auch einige Zeit in Anspruch, ebenso wie die zahlreichen sozialen
Anlässe, die eine regelmässige Präsenz erfordern und für eine gewisse
Informationsbeschaffung unerlässlich sind. So endet der übliche
Büroalltag gegen 19.00 Uhr. Mit einem oder mehreren Empfängen oder
einem Abendessen wird es durchaus auch Mitternacht bis der Botschafter
nach Hause kommt.
• Welches waren und sind für Sie
wichtige Momente in Ihrer Tätigkeit
als Botschafter?
Wichtige Momente gäbe es einige aufzuzählen. Erwähnen möchte ich das
Jubiläum anlässlich der 25-jährigen Zugehörigkeit unseres Landes zum
Europarat, die Ministersessionen mit Regierungsrat Dr. Ernst Walch am
5./6. November 2003 in Chisinau/Moldawien sowie am 12./13. Mai 2004 in
Strassburg. Es sind teils ganz persönliche Momente, an die ich mich
gerne erinnere ebenso wie an gewisse Diskussionen und Entscheidungen in
der Parlamenta-rischen Versammlung. Von besonderer Bedeutung war das
Dritte Gipfeltreffen des Europarats am 16./17. Mai 2005 in Warschau,
welcher als Gipfel der Europäischen Einheit in die Geschichte eingehen
wird.
• Wie sieht die Zusammenarbeit
zwischen Liechtenstein
und dem Gastland Frankreich aus?
Die Ständige Vertretung beim Europarat in Strassburg ist für die
Beziehungen zum Europarat und seinen Organen zuständig und nicht für
die bilateralen Beziehungen zu Frankreich. Die Kontakte und die
Zusammenarbeit mit den Behörden in Strassburg oder Paris verlaufen
reibungslos. Die Beziehungen zur Ständigen Vertretung Frankreichs beim
Europarat und insbesondere zu meinem französischen Kollegen verdienen
das Prädikat «ausgezeichnet».
Als Kompliment an mein Gastland möchte ich folgende Worte eines
Botschafters zitieren: «Jedermann hat zwei Vaterländer, das eigene und
Frankreich.»
• Was liegt Ihnen als Botschafter
besonders am Herzen?
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Der Europarat ist die älteste gesamteuropäische Organisation des freien
Europa. Diese Organisation verkörpert wie keine zweite die Einheit
Europas im Geist der Menschenrechte. Der Europarat hat uns auf unserem
Weg zu einem wiedervereinten Kontinent des Friedens und
gutnachbarlicher Beziehungen begleitet. Der Europarat ist in der
Landschaft europäischer Institutionen unersetzbar. Ich wünsche mir,
dass dies auch in Brüssel und in
allen
EU-Mitgliedstaaten so gesehen wird. Ich wünsche mir, dass sich der
Europarat bei seiner Arbeit auf seine ureigene Domäne konzentriert und
an sich selbst - wie auch an seine Mitgliedstaaten - allerhöchste
Ansprüche stellt.
Weiters erhoffe ich mir natürlich auch, dass Liechtenstein weiterhin
grossen Nutzen aus der Teilnahme an den Arbeiten der Organisation zieht
und dass eine aktive liechtensteinische Teilnahme weiterhin eine
wesentliche Bereicherung für unser Land darstellt.