Zusammenfassung der wichtigsten Punkte aus den Referaten
Michael Esfeld: Selbstbestimmung: Die Österreichische Schule gegen den post-modernen Totalitarismus
Prof. Michael Esfeld, renommierter Philosoph an der Universität Lausanne, widmete seinen Vortrag der zentralen Frage, wie die Prinzipien der Österreichischen Schule die ursprünglichen Ziele von Diversität, Gleichheit und Inklusion (DEI) tatsächlich verwirklichen – und warum aktuelle DEI-Programme oft das Gegenteil erreichen. Aus Sicht der Österreichischen Schule sind Diversität, Gleichheit und Inklusion dann gegeben, wenn sie auf freiwilligen Interaktionen, Rechtsgleichheit und der aktiven Teilhabe aller Menschen basieren. In einer solchen Ordnung zählt die individuelle Freiheit, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Esfeld machte deutlich: Was heute unter dem Schlagwort «Diversity, Equity, Inclusion» propagiert wird, verkehrt diese Ideale ins Gegenteil – es entsteht Einförmigkeit durch ideologische Bekenntnisse, Ungleichheit durch gruppenspezifische Bevorzugung und Ausschluss Andersdenkender («Cancel Culture»). Anhand aktueller Beispiele aus Universitäten, Bildungseinrichtungen und öffentlichen Institutionen zeigte Esfeld, wie postmoderne und postmarxistische Strömungen die individuelle Selbstbestimmung zugunsten konstruierter kollektiver Identitäten auflösen. Die Folge sei ein neuer, «postmoderner Totalitarismus», der den Gebrauch von Vernunft durch reine Machtstrukturen ersetze und Grundrechte wie Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit aushöhle. Esfeld argumentierte, dass die Österreichische Schule mit ihrem Menschenbild – geprägt von Freiheit, persönlicher Verantwortung und spontaner Ordnung – die intellektuellen Ressourcen bietet, um diesem destruktiven Narrativ ein positives und konstruktives Gegennarrativ entgegenzusetzen. Selbstbestimmung, universelle Rechtsgleichheit und freie Entfaltung seien die Grundlagen einer offenen, prosperierenden Gesellschaft und das Fundament westlicher Zivilisation. Er plädierte dafür, an den Errungenschaften der Aufklärung festzuhalten und die Kraft der Selbstbestimmung als Gegenentwurf zu neuen Formen staatlicher und gesellschaftlicher Kontrolle zu stärken. So könne die Gesellschaft zu einer positiven Zukunft in Freiheit, Recht und Frieden zurückfinden.
Elena Leontjeva: The Myth of Universal Inclusion and the Missing Element to Unmask Utopias
Elena Leontjeva, Gründerin des Lithuanian Free Market Institute, sprach in ihrem Vortrag über die Ursprünge und Missverständnisse rund um die Konzepte Diversität, Gleichheit und Inklusion. Sie argumentierte, dass Vielfalt und Inklusion in ihrer wahren Form keine Ergebnisse staatlicher Planung oder institutioneller Vorgaben sind, sondern organische, aus der menschlichen Natur erwachsende Phänomene. Leontjeva griff auf die Philosophie von Thomas von Aquin zurück und erläuterte: Echte Vielfalt ist kein politisches Konstrukt, sondern Ausdruck der Tatsache, dass der Mensch «unvollständig» ist – und deshalb zur Zusammenarbeit, zum Austausch und zur gegenseitigen Ergänzung geschaffen wurde. Unsere Unterschiede sind kein Makel, sondern die Basis für Kooperation und menschlichen Fortschritt. Inklusion sei nur dann lebendig, wenn sie auf Freiwilligkeit, Neugier und Gegenseitigkeit beruht – und nicht auf Vorgaben und künstlichen Quoten. Als besonders kritisch hob sie die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens hervor, das unter dem Anspruch «universeller Inklusion» allen Menschen materielle Grundsicherung verspricht. Leontjeva stellte heraus, dass damit die Verbindung zwischen individueller Leistung und gesellschaftlicher Teilhabe gekappt werde. Diese Form von Inklusion sei nicht mehr das Ergebnis von Beitrag und gegenseitiger Anerkennung, sondern ein politisch konstruiertes Ritual. Sie warnte vor der Gefahr, dass aus falsch verstandener Vielfalt und Inklusion neue Ideologien und Utopien entstehen, die am Ende den Geist und die Würde des Menschen schwächen, statt ihn zu stärken. Gleichzeitig mahnte sie, nicht die eigentliche Schönheit von Unterschiedlichkeit und die Chancen echter Kooperation aus dem Blick zu verlieren. Abschliessend rief Leontjeva dazu auf, Sprache und Denken zurückzugewinnen – und Vielfalt, Inklusion und Kooperation wieder als gelebte Praxis in Freiheit und gegenseitigem Respekt zu verstehen.
Wanjiru Njoya: On Individual Freedom, Equity and Social Justice
Die britische Rechtswissenschaftlerin Wanjiru Njoya widmete sich in ihrem Vortrag dem Spannungsfeld von individueller Freiheit, Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit – und der Frage, wie die Ideale von DEI zunehmend mit sozialistischen Konzepten verwoben werden. Njoya analysierte, wie der Begriff der «Gleichheit» im Rahmen von Gesetzgebung und Antidiskriminierungsregeln systematisch von formaler Gleichheit (gleiche Rechte für alle) zu substantieller Gleichheit («equity» – gleiche Ergebnisse und Chancen durch gezielte Eingriffe) verschoben wurde. Sie zeigte am Beispiel der USA, dass sowohl Befürworter als auch Kritiker von DEI-Programmen in der Praxis kaum noch zwischen diesen beiden Konzepten unterscheiden können – und dass auch rechtliche Auseinandersetzungen zu DEI letztlich dazu führen, die Ideale der Gleichheit immer weiter in Richtung Umverteilung und Ergebnisgleichheit zu verschieben. Die zentrale These: In dem Masse, wie Liberale die Durchsetzung von Gleichheit mittragen, laufen sie Gefahr, unfreiwillig «Steigbügelhalter» für sozialistische Umverteilungsziele zu werden. Denn Sozialisten wechseln – wie schon Ludwig von Mises warnte – regelmässig die Begriffe, aber das Ziel bleibt das gleiche: Freiheit und Eigentum durch staatliche Interventionen einzuschränken. Njoya warnte vor dem Irrglauben, dass Antidiskriminierung und Gleichheitsgesetze die Lösung aller Probleme seien. Vielmehr bedrohen sie nach libertärer Sicht grundlegende Pfeiler der Freiheit – wie Eigentum, Vertragsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Meinungsfreiheit. DEI und verwandte «Sozialgerechtigkeitskonzepte» seien daher mehr als nur Modebegriffe: Sie gefährden das Fundament individueller Freiheit und Vielfalt in der Gesellschaft.
Philipp Bagus: Staatskultur: Totalitarismus auf Samtpfoten
Der deutsche Ökonom Philipp Bagus beleuchtete in seinem Vortrag das Phänomen der «Staatskultur» und analysierte, wie der Staat durch subtilen und langfristigen Einfluss auf Werte, Sprache, Medien und Bildung eine Kultur formt, die zunehmend intolerant gegenüber abweichenden Meinungen wird. Anhand eines Gedankenexperiments zeigte Bagus, dass soziale Ausgrenzung und Cancel Culture oft nicht bloss das Resultat individueller Eigentumsrechte sind, sondern vielfach auf staatlich geprägte Werte- und Deutungsmuster zurückgehen. Bagus argumentierte, dass der Einfluss des Staates weit über direkte Verbote hinausgeht. Durch Regulierung, Subventionen, das staatliche Bildungssystem, ESG-Vorgaben und Förderprogramme prägt der Staat Narrative und fördert Entwicklungen wie Wokeismus, DEI und Cancel Culture. Auch privatwirtschaftliche Akteure übernehmen aus Eigeninteresse oder Angst vor Sanktionen diese Vorgaben und verstärken so den Konformitätsdruck – eine Entwicklung, die die Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt schleichend aushöhlt. Ein zentrales Dilemma für Libertäre: Während Diskriminierung und Cancel Culture auf Basis von Privateigentum eigentlich als Teil einer freien Gesellschaft gelten könnten, ist in der Realität moderner Staatskulturen das gesamte Wertemuster bereits massiv durch staatlichen Einfluss verzerrt. Bagus plädiert daher dafür, den Kulturkampf aktiv zu führen – zugunsten jener Werte und Institutionen (wie Familie, Privateigentum, Eigenverantwortung), die auch in einer wirklich freien Gesellschaft vorherrschen würden. Er ruft dazu auf, Cancel Culture, DEI und Wokeismus offen zu kritisieren – nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Rolle als Ausfluss und Instrument einer Staatskultur, die Freiheit und offene Debatte bedroht. Ziel müsse es sein, Schritt für Schritt eine Kultur zu fördern, die an die Prinzipien einer freien Gesellschaft anknüpft – immer mit dem Fernziel, staatlichen Einfluss und damit auch die Grundlagen des «sanften Totalitarismus» zurückzudrängen.
Karl-Peter Schwarz: Über Varianten des Sozialismus von 1945 bis Heute
Der österreichische Historiker und Journalist Karl-Peter Schwarz zeichnete in seinem Vortrag ein historisches und ideengeschichtliches Panorama des Sozialismus von 1945 bis heute und analysierte die Entwicklung radikaler Strömungen bis zum aktuellen Phänomen des Wokeismus. Ausgangspunkt war die Frage, ob mit dem Aufstieg konservativer Kräfte tatsächlich ein Ende der «woken» Leitkultur in Sicht sei. Schwarz verwies auf den andauernden Einfluss progressiver Ideologien – besonders an Hochschulen, in den Medien und bei supranationalen Institutionen wie der EU –, die Gesellschaft und Sprache zunehmend prägen. Er betonte, dass der heutige Wokeismus weit über modische Begriffe hinausgehe und als Sammelbecken antikapitalistischer, antitraditioneller und subversiver Ideologien fungiere, deren Wurzeln in der Geschichte des Sozialismus, des Kommunismus und in der «Kritischen Theorie» der Frankfurter Schule liegen. Schwarz zeigte, dass sich die zentrale Programmatik – Aufhebung von Privateigentum, Familie, Religion und gesellschaftlicher Hierarchie – wie ein roter Faden durch alle Varianten des Sozialismus zieht, unabhängig von den jeweils genutzten Begriffen und Strategien. Nach dem Niedergang der kommunistischen Regime fanden die Ideen des Sozialismus in neuen, kulturellen und postmodernen Formen eine Fortsetzung. Der Wokeismus habe den klassischen Klassenkampf durch einen Kulturkampf ersetzt, in dem Minderheiten und Identitätsgruppen zu neuen Subjekten des Fortschritts stilisiert werden. Abschliessend hob Schwarz hervor: Die Geschichte zeige, wie mächtig und folgenreich Ideen und Narrative sind. Kulturelle Hegemonie und die Verschiebung von Deutungsmustern entscheiden letztlich über den gesellschaftlichen Kurs – und damit auch über die fortgesetzte Wirksamkeit sozialistischer Ideen in immer neuen Gewändern.
Erec Smith: On the Motivations and Implications of Critical Social Justice
Erec Smith beleuchtete in seinem Vortrag kritisch die Ursprünge, Motive und Folgen der «Critical Social Justice» (CSJ) Bewegung – einer radikalisierten Ausprägung der heutigen DEI-Agenda. Smith, Research Fellow am Cato Institute und ausgewiesener Experte für antirassistische Rhetorik, argumentierte, dass CSJ, obwohl sie sich auf soziale Gerechtigkeit berufe, in der Praxis vor allem gesellschaftliche Spaltung, psychologische Entmündigung und eine Einschränkung von Meinungsfreiheit und akademischer Debatte fördere. Smith zeigte, dass CSJ auf der Annahme basiert, Diskriminierung und Rassismus seien allgegenwärtig und strukturell in Sprache, Institutionen und Bildungswesen verankert. Kritische Sozialgerechtigkeit gehe dabei weit über die ursprünglichen, liberalen Konzepte von Gleichberechtigung hinaus: Jede Form von Ungleichheit werde als Ergebnis von systemischer Unterdrückung interpretiert, während alternative Ursachen kaum in Betracht gezogen würden. Dies führe zu einem Klima des Misstrauens und zu einer Identitätspolitik, die individuelle Autonomie und Leistung zunehmend in den Hintergrund drängt. Besonders kritisch betrachtete Smith die Auswirkungen der CSJ-Ideologie im Bildungsbereich. Er erläuterte, wie DEI-Massnahmen unter dem Banner der CSJ zunehmend zu ideologischen Konformitätsdruck, Sprachregulierungen und exklusiven Identitätsgruppen führen. Die Qualität des Unterrichts und die Bedeutung gemeinsamer, leistungsbasierter Standards würden unter dem Vorwurf «struktureller Diskriminierung» oft abgewertet – etwa wenn das Beherrschen von Standardenglisch als «linguistische Unterdrückung» etikettiert werde. Smith plädierte für eine Rückbesinnung auf die Prinzipien des klassischen Liberalismus: individuelle Würde, intellektuelle Offenheit, Resilienz und die Debatte auf Augenhöhe. Nur ein Bildungssystem, das hohe Standards setzt und Vielfalt als Bereicherung versteht, könne gesellschaftlichen Aufstieg ermöglichen und echte Inklusion fördern. Er betonte, dass sowohl linke als auch rechte ideologische Engführungen – ob «woke» oder «reaktionär» – zu einer Verarmung des öffentlichen Diskurses führen und echte Pluralität verhindern. Abschliessend forderte Smith dazu auf, jenseits dogmatischer Identitätspolitik den Weg einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu stärken, in der Freiheit, Leistung und gegenseitiger Respekt im Mittelpunkt stehen. Nur so könne ein echter gesellschaftlicher Fortschritt gelingen – und vielleicht auch die Notwendigkeit von DEI-Programmen eines Tages obsolet werden.
ECAEF in Kürze
Die European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF) ist ein liberaler Think Tank mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein. ECAEF begrüsst die Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und fördert durch verschiedene Aktivitäten das Verständnis für die Theorien und das Wissen dieser Denkschule. ECAEF steht ein für Selbstverantwortung, Unternehmertum, freie Marktwirtschaft und ein sinnvolles Mass an staatlichen Aktivitäten. Mit der Gottfried von Haberler Konferenz möchte ECAEF der Öffentlichkeit eine andere Perspektive auf wirtschafts- und gesellschaftspolitische Entwicklungen aufzeigen und zur positiv-kritischen Auseinandersetzung mit relevanten Zeitthemen anregen. ECAEF
Quelle: Pressestelle der Gottfried von Haberler Konferenz / Foto © Pressestelle der Gottfried von Haberler Konferenz