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Fürstentum Liechtenstein

Interview mit S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein

Im Interview mit Silvia Abderhalden spricht S.D. Prinz Michael
über wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist Executive Chairman von Industrie- und Finanzkontor Etablissement, einem unabhängigen liechtensteinischen Treuhandunternehmen mit Tradition und Expertise im langfristigen und generationenübergreifenden Vermögens-erhalt (Wealth Preservation) – insbesondere für Familien und Unternehmer. Auch ist er Gründer und Vorsitzender der Geopolitical Intelligence Services AG, Präsident des Think Tanks European Center of Austrian Economics Foundation, Mitglied des International
Institute of Longevity und Vorstandsmitglied der liechtensteinischen Treuhandkammer.

Die verschiedenen Massnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie haben weltweit in einem Ausmass zu Beeinträchtigungen, Unsicherheiten und Ängsten geführt, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist. Als die Regierungen der Länder Massnahmen einführten, um die Gesundheitskrise unter Kontrolle zu bringen, kamen die Volkswirtschaften und das soziale Leben schlagartig zum Erliegen und ganze Sektoren wurden stillgelegt. War eine solche Krise in irgendeiner Form voraussehbar?
S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein: Pandemien wie auch Naturkatastrophen wird es immer geben, sie gehören zur Geschichte der Menschheit. Dass Pandemien von Zeit zu Zeit in Erscheinung treten, darf deshalb nicht überraschen. Allerdings kann aufgrund der hohen Reisefrequenz der Menschen eine Ausbreitung heute wesentlich rascher voranschreiten, als zu früheren Zeiten. Es wäre eine Illusion, dass die Menschheit Katastrophen und Krisen unterbinden kann. Deshalb stellt sich auch weniger die Frage, wie solche vorausgesehen werden können, sondern vielmehr, wie die Menschen damit umgehen? Es gilt, nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip vorzugehen, aber auch, das Bewusstsein zu schärfen, dass es schlussendlich keine absolute Sicherheit gibt. Wichtig ist, dass die Menschen der Krise mit Ruhe und einer positiven Grundhaltung begegnen und nicht panisch reagieren. Dies gilt besonders für Medien, Politik und Behörden.

Wie können wir uns dann auf weitere, ähnliche Krisen vorbereiten? Kann die Politik Präventionsmassnahmen  verstärken?
Staaten können Präventionsmassnahmen für wahrscheinliche oder potentiell wahrscheinliche Krisen vorsehen. Für unvorhersehbare Ereignisse aber ist es wichtig, auf die Selbstverantwortung des Einzelnen und die Lösungsorientierung von lokalen Institutionen und Behörden zählen zu können. Jeder Mensch und jede Kultur dieser Welt handelt unterschiedlich. Man kann Europa beispielsweise nicht mit Amerika, Russland oder China vergleichen. Deshalb ist es wichtig, dass Massnahmen lokal   getroffen werden können. Es wäre wenig hilfreich, wenn nicht sogar kontraproduktiv, wenn Massnahmen von globalen Einheiten wie zum Beispiel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert und dann der ganzen Welt verordnet würden. Das Credo «Globale Probleme brauchen globale Lösungen» klingt zwar gut, funktioniert aber nicht.

Welche Ziele sollten wir anstreben, um das wichtige menschliche Grundbedürfnis, die Sicherheit, zurückzugewinnen?
Menschen streben nach Sicherheit, aber eigentlich ist sie eine Illusion. Das einzig sichere Ereignis im Leben ist leider nur der Tod. Der Luxus eines Wohlfahrtsstaates aber verleitet die Menschen zu dem Glauben, persönliche Verantwortung und Freiheit gegen eine vermeintliche Sicherheit eintauschen zu können. In vielen Ländern nähren sowohl die Politik als auch die Medien diese Illusion. Meines Erachtens wäre es zielführender, einerseits die Selbstverantwortung und damit den Selbstschutz zu stärken, andererseits das Verständnis zu schärfen, sowohl in der Bevölkerung als auch bei Behörden und Regierungen, dass «die Lösung» nicht in allen politischen Entscheidungen liegt.

Ein anderer, wichtiger Punkt ist, dass die Politik in Krisen die Verantwortung trägt und sich nicht einzig auf Experten verlässt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sowohl die Politik wie auch die Experten an Vertrauen verlieren. Experten vertreten ihr Spezialgebiet, die Politik aber muss ausgewogen handeln. Zu Beginn der Corona-Pandemie gestatteten allzu viele Regierungen Wissenschaftlern, die Lage zu dominieren. Eine Debatte, die notwendig gewesen wäre, war nicht erlaubt. Im Gegenteil, sie wurde als Gefahr für Gesundheit und Leben dargestellt. Sich bereits dannzumal abzeichnende Kollateralschäden wurden ignoriert oder in Kauf genommen, beispielsweise indem ältere Menschen zu Risikogruppen erklärt und isoliert wurden, oder indem andere medizinische Behandlungen ausgesetzt wurden.

Die Corona-Pandemie betrifft alle Bereiche unseres persönlichen Lebens. Doch auch unser Gemeinwesen insgesamt – das politische und wirtschaftliche System, der Rechtsstaat, das Gesundheitswesen – bekommt die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren. Überbordende Staatsschulden waren schon vor der Corona-Krise nicht nur in Europa ein Problem. In den Medien lesen wir täglich von Hilfspaketen im Kampf gegen den mutmasslich grössten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg, in Höhen bei deren Erfassung uns schwindlig werden kann.
Kann Geld in unbegrenzter Höhe eingeschleust werden? Wohin fliesst es effektiv? Und wer profitiert wirklich davon?
Sicherlich notwendig sind Wirtschaftshilfen im Bereich von KMUs, da diese unverschuldet in Probleme geraten sind. Der Wirtschaftseinbruch ist gewaltig und die Folgen werden sich über Jahre erstrecken, gerade im Dienstleistungs- und Tourismussektor. Die Haltung, Probleme nicht durch Reformen, sondern durch Gelddrucken zu lösen, herrscht leider seit Jahrzehnten vor. Bis vor einigen Jahren wurde diese durch Erhöhung von Staatsschulden finanziert. Dann wurde das «quantitative easing» erfunden und bereits vor der Corona-Krise war ein Status erreicht, an dem die meisten Staatsschulden de facto nicht mehr rückzahlbar waren.

Dazu kommt das Problem, dass die wenigsten Staaten Reserven gebildet haben, um zukünftigen Pensionsverpflichtungen nach- kommen zu können. Und auch die Frage, wie die steigenden Gesundheitskosten einer immer älter werdenden Gesellschaft gedeckt werden sollen, ist nach wie vor ungelöst. Mit der Corona-Krise wird nun weiter unbegrenzt Geld gedruckt. Aber wie lange kann das noch weitergehen? Irgendwann wird der «Zahltag» kommen. Und es kann gut sein, dass die Situation dann schlimmer sein wird, als man sich heute vorstellen kann: eine starke Inflation aufgrund überbordender Geldmengen und gleichzeitig eine Deflation aufgrund von Überkapazitäten im Tourismus-, Dienstleistungs- und Produktionsbereich. Liechtenstein nimmt hier eine Sonderrolle ein. Liechtenstein hielt sich schon immer dazu an, sparsam zu wirtschaften, Reserven zu bilden und den öffentlichen Haushalt mit Vorsicht zu verwalten. Dieser Umstand bewährt sich jetzt einmal mehr.

Bei welchen Sicherheitsmassnahmen sehen Sie in der Zukunft eine Gefahr für die Wirtschaft?
Ich glaube nicht, dass wir allzu viele Sicherheitsmassnahmen weiterführen können und auch gar nicht sollen. Allerdings wurde in Europa der Zivilschutz bis zur gegenwärtigen Krise eher vernachlässigt. Zivilschutz ist eine Vorsorge vor Gefahren jeglicher Art. Er bedingt eine Organisationsstruktur und Notfallpläne. Wie die Krise gezeigt hat, ist die Vorratshaltung im medizinischen Bereich mangelhaft. Auch die Sicherung der Versorgungslinien war bislang mangelhaft und es gibt nur wenige Notstandspläne. Gewisse Vorratshaltungen sind notwendig. Aber wie schon gesagt, wir können nicht jegliche Effizienz einer

S.D. Prinz Michael von und zu Liechtenstein ist ein Enkel des habsburgischen Kaisers Karl I. von Österreich. Im Gespräch mit exclusiv erläutert er auch Hintergründe zu bestimmten Bildern im Unternehmen. Das Bild im Hintergrund zeigt Prinz Franz von und zu Liechtenstein mit Feldherr Graf Radetzky von Radetz im Revolutionsjahr 1849 in Norditalien.

Fortsetzung auf Seite 28


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