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Ein Abend über die «Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre»

Ein Abend über die «Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre»

(v.l.) Alexa Ritter, Kunst- und Kulturbeauftragte des Grand Resort Bad Ragaz, Philosophin Barbara Bleisch
(v.l.) Alexa Ritter, Kunst- und Kulturbeauftragte des Grand Resort Bad Ragaz, Philosophin Barbara Bleisch

Grand Resort Bad Ragaz – Ein Abend über die «Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre» – Philosophin Barbara Bleisch im Gespräch mit Alexa Ritter, Kunst- und Kulturbeauftragte des Grand Resort Bad Ragaz

Bad Ragaz, 12.03.2025 – Der Grüne Salon des Grand Hotel Quellenhof in Bad Ragaz war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Barbara Bleisch und Alexa Ritter in einem inspirierenden Kamingespräch über das neue Buch von Barbara Bleisch, «Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre», sprachen. 

Barbara Bleisch ist promovierte Philosophin, Autorin und Moderatorin der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie». Als Mitglied des Ethik-Zentrums der Universität Zürich beschäftigt sie sich intensiv mit Fragen der Moral und Lebensführung. Ihre Bücher, darunter «Warum wir unseren Eltern nichts schulden», haben weit über akademische Kreise hinaus Diskussionen angestossen.

Gleich zu Beginn des Gesprächs machte Barbara Bleisch einen persönlichen Bezug zur Region: Ihr Heimatort sei Weisstannen bei Mels – auch wenn sie dort nie gelebt habe, empfinde sie dennoch eine tiefe Verbundenheit mit dem Sarganserland.

Alexa Ritter, Kunst- und Kulturbeauftragte des Grand Resort Bad Ragaz, eröffnete den Abend mit einer direkten Frage: «Sind wir in der Mitte des Lebens?» Sowohl sie als auch Barbara Bleisch bekannten sich mit einem Schmunzeln dazu, 52 Jahre alt zu sein – also womöglich genau in jener Lebensphase, die Barbara Bleisch in ihrem neuen Buch untersucht.
Die Philosophin nahm die Frage mit feinem Humor auf und gab eine erste Definition der «Mitte des Lebens»: Sie beginne dann, wenn Freunde einem zum Geburtstag gratulieren und einen dabei zehn Jahre jünger machen – und das als Kompliment verstehen. Doch jenseits solcher Anekdoten gehe es um mehr: um eine Lebensphase, die nicht allein von Zahlen bestimmt wird. «Die wenigsten wissen, wann genau sie in der Mitte ihres Lebens stehen – es sei denn, sie haben vor, zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Leben zu scheiden», merkte sie nachdenklich an.
Mit diesem Auftakt war klar: Der Abend würde nicht nur eine philosophische Reflexion über das Älterwerden bieten, sondern auch feinsinnigen Humor und tiefgründige Gedanken darüber, was es bedeutet, in den «besten Jahren» zu sein.

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Die Mitte des Lebens ist eine Phase, die etwa mit 40 beginnt und irgendwo um die 65 endet – mit fliessenden Übergängen in beide Richtungen. Alexa Ritter bemerkte augenzwinkernd, dass der grosse Teil der anwesenden Gäste wohl zu dieser Kategorie gehöre, und fragte Barbara Bleisch, wie sie auf die Idee gekommen sei, darüber zu schreiben.

Barbara Bleisch erklärte, dass sie es besonders spannend finde, ein Buch über eine Lebensphase zu schreiben, die sie selbst betrifft und sie persönlich umtreibt. Es seien oft Gespräche, die plötzlich entstehen: wenn die eigenen Eltern alt und gebrechlich werden, wenn man sich fragt, ob man dort bleibt, wo man ist, oder doch noch einmal etwas Neues wagt. «Wenn nicht jetzt, wann dann?» Diese und ähnliche Fragen inspirierten sie, über die «Mitte des Lebens» nachzudenken.
Erstaunlich sei, so Barbara Bleisch weiter, dass es dazu philosophisch gesehen wenig Literatur gebe. Und wenn man sich die Ratgeber-Literatur ansehe, werde diese Zeit oft als krisenbelastet beschrieben. Das irritierte sie, denn in der antiken Philosophie galt diese Lebensphase als die «Blüte des Lebens». Das sei der Ausgangspunkt für ihr Buch gewesen.

Warum irritiert uns das Älterwerden?
Alexa Ritter stellte die Frage, warum diese Lebensphase so viele Menschen irritiere und weshalb wir oft an der Vorstellung festhalten, dass es peinlich sei, älter zu werden. Bleisch meinte dazu, dass sie dieses Denken nie ganz nachvollziehen konnte, vielleicht weil die Philosophie ihre Disziplin sei, in der mehr Jahre eher als Vorteil gälten. Allerdings wolle sie das Alter nicht verklären, denn natürlich gäbe es auch Herausforderungen.
Ritter lenkte das Gespräch auf den Sinn des Lebens. Bleisch betonte, dass ihr Buch bewusst kein Ratgeber, sondern ein Beratungsbuch sei. Ihr Anliegen sei es, den Leserinnen und Lesern zu zeigen, dass sie die gleichen Fragen habe wie alle anderen. Die Philosophie könne helfen, diese Fragen genauer zu betrachten, Begriffe zu sortieren und die Sinnfrage aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten – insbesondere im Kontext des Älterwerdens.

Krisen als Momente der Erkenntnis
Im Verlauf des Lebens öffnen sich neue Türen, während andere sich schliessen. Die Frage, die viele in der Mitte des Lebens beschäftigt, lautet: «War das jetzt alles?» Barbara Bleisch erklärte, dass Krisen oft als Momente des Umbruchs erlebt werden. In der Philosophie seien solche Momente Erkenntniszeiten. Sie verwies auf Dante, dessen Divina Commedia mit den berühmten Worten «Nel mezzo del cammin di nostra vita» («Auf der Mitte unseres Lebenswegs») beginnt. «Wir wissen, dass die Geschichte gut ausgeht», so Bleisch. «Eine Krise durchzuschreiten, bedeutet oft, etwas Neues zu verstehen.»
Doch nicht alle Philosophen sehen das so. Simone de Beauvoir beschreibt das äussere Älterwerden mit Angst. Barbara Bleisch hingegen findet, dass zu wenig über die Reife gesprochen wird, die mit dem Alter einhergeht – nicht nur als biologischer Prozess, sondern auch als eine Form des inneren Wachstums.

Ist man irgendwann «angekommen»?
Alexa Ritter griff den Ausdruck «angekommen im Leben» auf und fragte, warum Barbara Bleisch diese Formulierung nicht mag. Barbara Bleisch antwortete, dass sie generell Mühe mit Metaphern habe. In ihrem Buch schreibe sie viel darüber, wie wichtig es sei, mit der eigenen Stimme zu sprechen. Doch die Vorstellung, irgendwann «angekommen» zu sein, erscheine ihr zu passiv, als gäbe es nichts mehr zu erwarten. Ihr gefalle vielmehr der Gedanke, dass man in jedem Alter über sich hinauswachsen könne – nicht mit harter Zielstrebigkeit, sondern weil es sich gut anfühle.

Lebendigkeit in der Mitte des Lebens
Zum Abschluss sprach Alexa Ritter das Thema Lebendigkeit an. Wie kann man sie in der Mitte des Lebens bewahren? Bleisch erklärte, dass es verschiedene Definitionen von Lebendigkeit gebe, ihr Gegenteil sei jedoch immer die Stagnation. Lebendig sei, wer sich austausche, sich weiterentwickle und sich für Neues begeistern könne. Ein besonders wichtiges Konzept sei das «existenzielle Staunen» – jene «Wow-Momente», in denen wir intensive Emotionen empfinden und uns als Teil eines grösseren Ganzen erleben. «In der Mitte des Lebens sind wir oft sehr beschäftigt. Deshalb ist es umso wichtiger, solche Momente bewusst wahrzunehmen, sich dafür Zeit zu nehmen und sie in vollen Zügen zu geniessen.»

Der eigene Tod – ein abstraktes Thema?
Gegen Ende des Gesprächs kam das Thema Endlichkeit zur Sprache. Alexa Ritter merkte an, dass viele Menschen den eigenen Tod abstrakt betrachteten. Barbara Bleisch stimmte zu und erklärte, dass der Umgang mit der eigenen Endlichkeit eine zentrale philosophische Frage sei. «Es geht darum, die Begrenztheit des Lebens nicht nur zu akzeptieren, sondern daraus auch eine Haltung abzuleiten – eine, die uns lehrt, den Moment ernst zu nehmen und bewusst zu leben.»
Auch das Thema Reue wurde angesprochen: das Bedauern, nicht mit eigener Stimme gesprochen oder nicht genug gewagt zu haben. Viele Menschen wollen mehr, als in ein einziges Leben passt. Doch aus verpassten Chancen entstehen oft neue Wege, die ebenfalls wertvoll sind. «Manchmal frage ich mich, warum ich als junge Frau nicht mutiger war. Die einzige ehrliche Antwort darauf ist: Weil ich nicht mutiger war. Punkt. Aber ich bin dankbar dafür, dass ich daraus gelernt habe.»

Zum Abschluss des inspirierenden Abends las Barbara Bleisch eine Passage aus ihrem Buch. Anschliessend hatten die Gäste die Möglichkeit, ein signiertes Exemplar zu erwerben.

Alexa Ritter schloss die Veranstaltung mit einem Ausblick auf den nächsten Anlass im Grand Resort Bad Ragaz. Am 23. Mai werden Hans Peter Danuser und Christian Jott Jenny mit Renato Bergamin über den Ruf von St. Moritz als «Top of the World»-Destination und die Verbindung zum Bade- und Kulturort Bad Ragaz sprechen. Wir dürfen gespannt sein!

Quelle: Text und Fotos: © Silvia Abderhalden

(v.l.) Philosophin Barbara Bleisch und Alexa Ritter, Kunst- und Kulturbeauftragte des Grand Resort Bad Ragaz

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