Die Mitte des Lebens ist eine Phase, die etwa mit 40 beginnt und irgendwo um die 65 endet – mit fliessenden Übergängen in beide Richtungen. Alexa Ritter bemerkte augenzwinkernd, dass der grosse Teil der anwesenden Gäste wohl zu dieser Kategorie gehöre, und fragte Barbara Bleisch, wie sie auf die Idee gekommen sei, darüber zu schreiben.
Barbara Bleisch erklärte, dass sie es besonders spannend finde, ein Buch über eine Lebensphase zu schreiben, die sie selbst betrifft und sie persönlich umtreibt. Es seien oft Gespräche, die plötzlich entstehen: wenn die eigenen Eltern alt und gebrechlich werden, wenn man sich fragt, ob man dort bleibt, wo man ist, oder doch noch einmal etwas Neues wagt. «Wenn nicht jetzt, wann dann?» Diese und ähnliche Fragen inspirierten sie, über die «Mitte des Lebens» nachzudenken.
Erstaunlich sei, so Barbara Bleisch weiter, dass es dazu philosophisch gesehen wenig Literatur gebe. Und wenn man sich die Ratgeber-Literatur ansehe, werde diese Zeit oft als krisenbelastet beschrieben. Das irritierte sie, denn in der antiken Philosophie galt diese Lebensphase als die «Blüte des Lebens». Das sei der Ausgangspunkt für ihr Buch gewesen.
Warum irritiert uns das Älterwerden?
Alexa Ritter stellte die Frage, warum diese Lebensphase so viele Menschen irritiere und weshalb wir oft an der Vorstellung festhalten, dass es peinlich sei, älter zu werden. Bleisch meinte dazu, dass sie dieses Denken nie ganz nachvollziehen konnte, vielleicht weil die Philosophie ihre Disziplin sei, in der mehr Jahre eher als Vorteil gälten. Allerdings wolle sie das Alter nicht verklären, denn natürlich gäbe es auch Herausforderungen.
Ritter lenkte das Gespräch auf den Sinn des Lebens. Bleisch betonte, dass ihr Buch bewusst kein Ratgeber, sondern ein Beratungsbuch sei. Ihr Anliegen sei es, den Leserinnen und Lesern zu zeigen, dass sie die gleichen Fragen habe wie alle anderen. Die Philosophie könne helfen, diese Fragen genauer zu betrachten, Begriffe zu sortieren und die Sinnfrage aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten – insbesondere im Kontext des Älterwerdens.
Krisen als Momente der Erkenntnis
Im Verlauf des Lebens öffnen sich neue Türen, während andere sich schliessen. Die Frage, die viele in der Mitte des Lebens beschäftigt, lautet: «War das jetzt alles?» Barbara Bleisch erklärte, dass Krisen oft als Momente des Umbruchs erlebt werden. In der Philosophie seien solche Momente Erkenntniszeiten. Sie verwies auf Dante, dessen Divina Commedia mit den berühmten Worten «Nel mezzo del cammin di nostra vita» («Auf der Mitte unseres Lebenswegs») beginnt. «Wir wissen, dass die Geschichte gut ausgeht», so Bleisch. «Eine Krise durchzuschreiten, bedeutet oft, etwas Neues zu verstehen.»
Doch nicht alle Philosophen sehen das so. Simone de Beauvoir beschreibt das äussere Älterwerden mit Angst. Barbara Bleisch hingegen findet, dass zu wenig über die Reife gesprochen wird, die mit dem Alter einhergeht – nicht nur als biologischer Prozess, sondern auch als eine Form des inneren Wachstums.