Zum Inhalt springen
Magazin

App

Liechtensteinisches LandesMuseum

Märchen, Sagen und Symbole

Wie entstanden die Welt und das Leben in dieser Vielfalt, wie lautet der Plan der schicksalsbestimmenden, übernatürlichen Mächte, welche Ursachen haben Übel, Krankheit und Tod, und von welchen aussergewöhnlichen Taten gibt es neue Kunde?

Mit einer gross angelegten Ausstellung stellt das Liechtensteinische LandesMuseum erstmalig die Themen Märchen, Mythen, Legenden, Fabeln und Sagen vor, die einen fundamental wichtigen Bestandteil jeder Kultur und ihres kollektiven Gedächtnisses bilden. Dabei werden Spuren verfolgt, die sich durch die Erzählungen von Menschen verschiedener Kulturen ziehen. Diese Spuren beginnen tief in der Vorgeschichte und verbreiten sich zu einem frühen Zeitpunkt. Sie entfalten sich in den Mythen, Sagen, Fabeln, Legenden der Antike und führen in die Welt unserer europäischen Märchen, welche zunächst nur mündlich tradiert worden sind. Auch die Sagenwelt Liechtensteins wird dabei vorgestellt.

Prof. Dr. Rainer Vollkommer: «Schon 2017 besprachen der bekannte Ausstellungsmacher Dr. Wolfgang Wettengel und ich, dass wir nochmals – wie vor ca. 15 Jahren im Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden, welches ich damals leitete – eine Ausstellung über Märchen, Sagen, Mythen, Legenden und Fabeln organisieren sollten. Kurz darauf kam ich mit Herrn Peter Fritz, Geschäftsführer vom MAMUZ Museum Mistelbach in Niederösterreich, zusammen, wir unterhielten uns über eine mögliche Zusammenarbeit und über kulturellen Austausch. Er war sofort begeistert bei der Ausstellung mitzumachen und es entstand eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit den KollegInnen vom MAMUZ und Dr. Wolfgang Wettengel. Das Bedürfnis zu erzählen und die Suche nach dem Sinn des Lebens waren und werden dem Menschen immer wichtig sein. Und so war uns auch klar, dass wir ein wichtiges Thema der Menschheit vorstellen, das aber so reich an Möglichkeiten ist, dass wir Vieles nur andeuten und Vieles auch nicht vorstellen können. Doch bin ich der Überzeugung, dass diese Ausstellung und das Begleitbuch dazu einlädt, sich weiter damit auseinanderzusetzen.»

exclusiv: Herr Dr. Wettengel, zuerst eine persönliche Frage. Sie sind Kurator der grossen Tourneeausstellung «Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze», die kürzlich auch in Zürich gastierte. Wie sind Sie zu den Märchen gekommen?
Dr. Wolfgang Wettengel: Dafür gibt es zwei Gründe. In meiner Promotion ging es um die älteste, märchenhafte Erzählung. Der Text handelt von zwei göttlichen Brüdern und wurde um 1200 v. Chr. im Land am Nil aufgeschrieben. 

Das zweite Anliegen war, dass ich in einer Zeit, in der viele Kinder kaum mehr Geschichten erzählt bekommen, sondern mit Computerspielen beschäftigt werden, zusammen mit Prof. Dr. Rainer Vollkommer ein Zeichen setzen wollte. 

Die Ausstellung im Liechtensteinischen LandesMuseum befasst sich auch mit Mythen, Sagen, Legenden und Fabeln und deren Bildsymbolik. Wie alt sind diese Erzählgattungen und wie kann man sie voneinander abgrenzen?
Aufgrund der neueren Funde in den Höhlen der Schwäbischen Alb wie dem Löwenmenschen, ein Mischwesen mit menschlichem Körper und Löwenkopf, dürfen wir heute davon ausgehen, dass es sich hier um ein übernatürliches Wesen handelt, zu dem es bereits eine Geschichte gegeben haben muss, die uns jedoch nicht bekannt ist. Die ältesten Erzählungen sind nach der Entwicklung der Schrift in den antiken Hochkulturen überliefert. Hierbei handelt es sich um Mythen, in denen es um elementar wichtige Themen für Menschen geht. Typisch für Mythen ist, dass Gottheiten das Schicksal der Welt und der Menschen bestimmen.

Wie steht es um die Verbreitung von Mythen?
Wir finden sogenannte Schöpfungsmythen in allen Kulturen der Welt. In den alten Hochkulturen des Vorderen Orients entsteht die Welt aus dem Nichts bzw. aus einem Chaos, das durch Schöpfergottheiten zum geordneten Kosmos wird. Bei anderen Völkern bestimmen die oft sehr harten Lebensverhältnisse die Handlung von Mythen. Jägerkulturen der nördlichen Arktis    erzählen sich z. B. Geschichten um die Meeresgöttin Sedna, durch deren tragisches Schicksal die Meerestiere entstanden sind. Nachdem sie unglücklich verheiratet worden war, floh sie mit Hilfe ihres Vaters vor ihrem Bräutigam mit einem Kanu übers Meer. Ihre Verfolger aber drohten, das Boot zu versenken, und um diese Mächte zu beruhigen, warf der Vater seine Tochter ins Wasser. Das unglückliche Mädchen klammerte sich jedoch ans Boot, und so schlug der Vater ihr die Finger ab. Aus ihnen entstanden dann Fische, Robben und andere Meerestiere. 

Mythen versuchen auch zu erklären, wie Krankheiten und Tod in die Welt gekommen sind. Ein altes und schönes Beispiel dafür ist der biblische Sündenfall oder das dramatische Schicksal des ägyptischen Gottes Osiris, der von seinem dunklen Bruder Seth ermordet wird. Osiris wird der Herr über die Toten, er verkörpert aber auch als Auferstehungsgott die universellen Kräfte der Regeneration, des neuen Lebens aus dem Tode. Aus griechischer Zeit sind

Fortsetzung auf Seite 22

Magazin Archiv 2002 - 2014

Bitte wählen Sie im linken Bereich das gewünschte Magazin

Footer