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Fortsetzung von Seite 21

uns die zwei bedeutenden Mythen überliefert, die «Ilias» und die «Odyssee». Wegen ihrer Dramatik beeinflussen diese Geschichten die Kunst bis heute, und das seit der griechischen Vasenmalerei. 

Mythen scheinen somit den Urgrund von Erzählungen zu bilden?
Denken wir dabei nur an Frau Holle, eine Märchen- wie Sagenfigur, hinter der eine germanische Göttin steht. Für die zeitlich jüngeren Sagen gilt, dass nicht Götter, sondern die Menschen ihr Schicksal letztlich selbst entscheiden. Im Sagenkreis um König Artus und dem Schwert Excalibur entscheidet man sich nach einer Zeit erbitterter Kriege für eine friedliche Zeit, die durch den runden Tisch der Ritter der Tafelrunde ausgedrückt wird. Schwerter von herausragenden Persönlichkeiten können eigene Namen tragen, und die Symbolik des runden Tisches  finden wir noch heute bei bedeutenden Zusammenkünften. Im Nibelungenlied führen menschliche Schwächen wie Verrat, Eitel- keiten und sprichwörtliche Nibelungentreue konsequenter Weise in Verderben und Tod. Eine Renaissance erlebten die alten Sagen schliesslich im 19. Jahrhundert, als man daran ging, Burgen und Schlösser in einem quasi idealen Mittelalter zu restaurieren und mit Wandmalereien mit Themen aus berühmten Sagen auszustatten. In Schloss Neuschwanstein des Bayernkönigs Ludwig II. werden ganze Sagenzyklen dargestellt. Bestimmte Sagengattungen, wie wir sie auch in Liechtenstein finden, sind im Gegensatz zu Mythen oder Märchen ortsgebunden. Sie erklären uns seltsame Naturphänomene oder spukhafte Erscheinungen. 

Was unterscheidet die Märchen von Sagen und Legenden? 
Legenden handeln von aussergewöhnlichen Menschen, die auf wundersame Weise zum christlichen Glauben finden und auch Wunder wirken können, oder die, wie in der Georgslegende, ähnlich wie gottähnliche Helden gegen finstere Drachen als Feinde der Schöpfung kämpfen.

Märchen, wie wir sie heute kennen, gehen anders als Sagen meistens gut aus. Das war nicht immer so. Hinter dem Märchen vom Rotkäppchen z. B. steckt vermutlich eine französische Werwolfsage, die nicht gut endete. Hier haben u.a. die Brüder Grimm Hand angelegt, da sie von Anfang an daran dachten, dass diese Geschichten nun auch in Kinderstuben erzählt werden sollten. Letzteres gilt auch für die teils schon aus der Antike überlieferten Fabeln, in denen Tiere lehrhaft als Spiegelbild für menschliches Verhalten dienen. 

Sie sagen, dass die alten Geschichten in den modernen Erzählungen und Filmen weiterleben? 
Wir sehen ja tagtäglich, dass die alten Geschichten in neuem Gewand weiterleben. Der antike Held Herakles ist ein Urbild der modernen Superhelden in Comics und Filmen. Erzählungen um König Artus sind heute durch moderne Verfilmungen weltweit bekannt und somit populärer als dies im Mittelalter je der Fall war. Jeder gut ausgebildete Schriftsteller und Regisseur kennt die hindernisreiche Heldenreise, eine alte und traditionell überlieferte Erzählstruktur, in der eine Geschichte letztlich zu einem guten Ende kommt. J.R.R. Tolkien oder J.K. Rowling haben mit «Der Herr der Ringe» und den Geschichten von «Harry Potter» viele alte Figuren und traditionelle Erzählmuster wieder populär gemacht. Es gibt Fabelwesen, Zwerge und Riesen, Drachen, dazu Bösewichte und helfende Figuren unter den Hexen und Zauberern. Heldinnen und Helden begeben sich auf eine abenteuerliche Reise, ähnlich wie bereits Odysseus in der Ilias, Sindbad oder Aladdin in den Abenteuern aus 1001 Nacht. George Lucas hat diese Figuren und die alten Erzählmuster mit «Star Wars» schliesslich ins All und in die Zukunft verlegt – und das mit einem Riesenerfolg.

Die Ausstellung «Märchen, Sagen und Symbole» im Liechtensteinischen LandesMuseum dauert bis Sonntag, 12. September 2021.

Weitere Informationen unter: www.landesmuseum.li

Bildlegenden:

Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen. Äthiopien, 19. Jahrhundert. Vaduz, LLM, Foto: © Sven Beham

Der Geist erscheint vor Aladdin. Illustration von Edmund Dulac, Potsdam 1920. Vaduz, LLM, Foto: © Sven Beham

Dornröschen. Illustration von Arthur Rackham, Märchenwald, Zürich 1919. Vaduz, LLM, Foto: © Sven Beham

Schloss Neuschwanstein, Wandgemälde «Tristan mit Isolde», © Bayerische Schlösserverwaltung MESSBILDSTELLE GmbH, Dresden

Dr. Wolfgang Wettengel, Kurator der Ausstellung «Märchen, Sagen und Symbole» 

Prof. Dr. Rainer Vollkommer, Direktor des Liechtensteinischen LandesMuseums

Der Löwenmensch. Foto: © Y. Mühleis © Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgard/Museum Ulm. (Fotoausschnitt) 

Handgeschriebene Sammlung über Riesen von den Brüder Grimm. Staatsbibliothek zu Berlin, Preussischer Kulturbesitz, Handschriftenabt.

Schwert mit goldtauschierter Inschrift INGELRII (Name des Schmieds). Fundort: Rheinufer bei Schaffhausen. Eisen. 12. Jh. Ankauf 1991. Winterthur, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte.

Rechte Hand des «Märchenkönigs» Ludwig II. von Bayern. Bronze, gegossen. 1886. Geschenk von Prinzessin Ludovika in Bayern an ihre Tochter Kaiserin Elisabeth («Sissi») von Österreich-Ungarn. Ankauf 1991. Winterthur, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte.

Sedna. Geschaffen von Ohito Ashoona, Inuit, 1997, Cape Dorset, Nunavut, Kanada. Serpentin. Bern, Museum Cerny. Contemporary Circumpolar Art.

Illustration von Eliane Schädler für die Ausstellung im LLM. Star Wars.

Statuette des Totengottes Osiris. Bronze, vergoldet. Spätzeit, Mitte 1. Jt. v. Chr. Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.

al-Qazwini, Die Wunder der Schöpfung. Persische Handschrift, Iran, 1816. Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz, Orientabteilung. Dargestellt ist ein Simurgh, ein Fabelwesen aus der persischen Mythologie.

Eliane Schädler, Illustratorin präsentiert das Buch «Märchen, Sagen und Symbole», welches zur Ausstellung erschienen ist. 

fotos: © sven beham, exclusiv, text: © exclusiv, liechtensteinisches landesmuseum

 

 

 

 

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